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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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genau, warum sie sich so verhielten; man erklärte es sich aber so, dass ihre degenerierten Gehirne Bilder von Plätzen abriefen, die sich ihnen in ihren früheren Leben besonders eingeprägt hatten.
    Schanz hielt sich an Weinerts Ratschlag und umfuhr diese Orte großräumig. Sein Büro lag hinter dem Hackeschen Markt, einem Zentrum touristischen Treibens und bekannten Einkaufsviertel, das insbesondere bei Shoppingwütigen beliebt war, die auf gehobene Lifestyle-Marken standen. Er musste aufpassen, dass er am Ende dort nicht doch noch Bekanntschaft mit einer Meute Infizierter machte. Während er den Wagen an den Boutiquen vorbeisteuerte, fiel ihm auf, dass es nicht ein Schaufenster gab, das nicht eingeschlagen worden war. In der Vergangenheit war es schon einmal vorgekommen, dass Vermummte Steine in die Fenster von Geschäften geworfen hatten, aber niemals auch nur annähernd in so viele. Schanz warf ein paar Blicke in das Innere der Läden und konnte erkennen, dass sie nicht nur ausgeraubt, sondern auch mutwillig zerstört worden waren. Dass das nicht auf die Kappe der Infizierten ging, sondern von Leuten, die wussten, was sie taten, war offensichtlich.
    Mit einem Mal setzte Platzregen ein und nahm ihm für einen Moment die Sicht. Er schaltete die Scheibenwischer ein, und das Wasser wurde beiseitegeschleudert. Er erschrak, als er verschwommen eine mittelgroße Person in einem roten Regenmantel am rechten Straßenrand stehen sah, die einen Schritt nach vorne tat und sich direkt vor seinem Wagen auf die Straße fallen ließ. Mein Gott, ein Kind! , war sein erster Gedanke, als er voll in die Bremsen trat.
    In dem Moment, als er das laute Poltern unter dem Wagen hörte, wusste er, dass er es überfahren hatte. Hastig sprang er aus dem Auto und lief um die Motorhaube herum. Er verharrte in Schockstarre, als er den roten Ärmel des Regenmantels und die bleiche Kinderhand sah, die unter dem Wagen hervorlugte und auf die der Regen herniederprasselte. Er beugte sich hinunter, um nachzusehen. Aufgrund der großen Kapuze konnte er das Gesicht des Kindes nicht erkennen, das unter dem Auto in einer Blutlache lag.
    Was sollte er jetzt tun? Einen Krankenwagen rufen? So etwas war hier nicht mehr möglich, außerdem funktionierte kein Mobilfunketz. Er überlegte sogar, ob er sein Vorhaben abblasen, das Kind unter dem Wagen hervorzerren und es aus der Zone herausbringen sollte.
    Plötzlich schnellte der Arm nach vorne, und die Hand packte seinen Knöchel.
    Instinktiv zog Schanz seinen Fuß weg, aber das Kind – oder wer auch immer das war – hielt seinen Knöchel weiter fest. Je heftiger er zerrte, umso stärker krallten sich die Finger in den Fußknöchel. Doch schließlich gelang es ihm, sich loszureißen. Sogleich stürmte er in den Wagen zurück. Er keuchte wie ein Asthmatiker, und seine Hände zitterten, als er den Zündschlüssel umfasste, der im Schloss steckte. Dreh ihn um, fahr los und hol das Gold! Denk an Beatrice und die Kinder! , forderte ihn eine Stimme in seinem Kopf auf, während eine andere ihn fragte, ob er nicht doch etwas für das Kind tun konnte. Infiziert oder nicht, es ist doch noch ein Kind!
    Er hätte besser nicht gezögert und sofort den Motor starten sollen, denn auf einmal hämmerten von außen zwei kleine Fäuste gegen das Fenster auf der Beifahrerseite. Schanz riss den Kopf herum und sah die rote Kapuze. Wie konnte das sein? Das Kind lag doch gerade noch unter dem Auto! War es vielleicht doch nicht verletzt? Aber die Blutlache! Die verschiedensten Gedanken wirbelten gleichzeitig in seinem Kopf umher. Dann kam das Kind näher an die Scheibe heran.
    Die Kapuze rutschte ihm vom Kopf, und zum ersten Mal sah Schanz das Gesicht. Er konnte nicht erkennen, ob er ein Mädchen oder einen Jungen vor sich hatte: Das Gesicht war fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Das linke Auge trat so weit aus der Höhle hervor, dass man befürchtete, es würde gleich herausfallen. Kinn und Nase waren weggeschossen, so wie man es von einigen Schwarz-Weiß-Fotografien her kannte, die im Krieg verstümmelte Soldaten zeigten. Als das Kind die linke Hand öffnete, mit ihr über die Scheibe strich und dabei blutige Schlieren hinterließ, erkannte er, dass Mittel- und Zeigefinger fehlten. Es war seine erste unmittelbare Begegnung mit einem der Infizierten, und der Horror drang tief in seine Seele.
    Nun wurde ihm endlich klar, dass er dem Kind nicht mehr helfen konnte. Er drehte rasch den Zündschlüssel um, und der Motor

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