Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
Wohnung aufhielten. Er gab den anderen zu verstehen, ruhig zu sein und draußen auf dem Gang zu warten. Danach forderte er Jimmy mit einer Kopfbewegung auf, ihm zu folgen. Jimmy zog ebenfalls seine Waffe, bevor sie hineingingen.
Im Flur auf dem Boden standen Schuhe; Männer-, Frauen- und zwei Paar Kinderschuhe. Daneben lag eine Hundeleine. Die Normalität schmerzte fast.
Als sie vorsichtig durch den Flur gingen, sahen sie schmutziges Geschirr auf dem Tisch in der Essküche stehen. Teller, Trinkgläser und Schüsseln. Einer der Stühle war ein Babystuhl. Auf der Erde lagen eine Schnabeltasse, eine Rassel und eine Stoffpuppe, die schon recht abgewetzt aussah. In der Nähe des Kühlschranks stand ein Futternapf aus Blech auf dem Boden.
Eine Familie wird doch wohl kaum hinter einem Terrornetzwerk stecken , dachte König.
Trotzdem stellte sich bei ihm ein flaues Gefühl im Magen ein. Eine schreckliche Ahnung überfiel ihn, und er wollte Jimmy schon sagen, dass dies nicht die Wohnung war, nach der sie suchten, und sie zurückgehen sollten. Doch da war Jimmy bereits an der großen Flügeltür zum Schlafzimmer und drückte einen der beiden Griffe hinunter. Durch den sich öffnenden Spalt sahen sie ein großes Doppelbett, auf dem die Familie lag – links die Mutter mit dem Baby im Arm, in der Mitte die kleine Tochter, die einen schwarzen Zwergschnauzer umklammert hielt, und ganz rechts der Vater. Seine schlaffe Hand hing an der Seite des Betts herab. Darunter lag die Waffe auf dem Boden, mit der er seine gesamte Familie und den Hund getötet und dann am Schluss mit einem Kopfschuss sich selbst umgebracht hatte. Das Blut aus den Wunden an ihren Schläfen war bereits geronnen. Ihre Leiber und Gesichter wirkten unnatürlich aufgedunsen. Es war unverkennbar, dass sie sich mit dem Virus infiziert hatten. So schrecklich der Anblick auch war – sie lagen friedlich nebeneinander, was darauf schließen ließ, dass sie sich zum Sterben ins Bett gelegt und dort ihrem Leben bewusst ein Ende gesetzt hatten. König taumelte einen Schritt zurück und stieß dabei gegen die Wand im Flur.
»Lassen Sie uns von hier verschwinden«, erklärte Jimmy, dem nicht entging, dass König auf einmal nach Luft rang. Selbst er konnte nachempfinden, was ein Familienvater in diesem Moment fühlen musste. Er legte kurz seine Hand auf Königs Schulter, dann zog er ihn am Arm mit sich hinaus.
»Falsche Wohnung«, sagte Jimmy zu den anderen nur.
Sie bohrten nicht weiter nach und folgten ihm und König das Treppenhaus hinunter.
71
Die Chefetage der Firma lag im obersten Stock eines modernen Bürogebäudes mit verspiegelter Glasfassade. Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich in einen großzügigen Vorraum.
Komisch , dachte Schanz, dass wir immer noch Strom haben .
Er stieg zuerst aus, dann folgte Barabbas. Sie liefen über den anthrazitfarbenen Steinboden entlang einer Reihe dunkel schimmernder Säulen, auf denen edle Handtaschen der neuesten Kollektion ausgestellt waren. An den Wänden hingen großformatige, rahmenlose Fotos hinter Glas, auf denen Models in unterschiedlichen Posen elegante Taschen präsentierten.
Schanz blieb kurz an einem Schreibtisch stehen. Er musste an seine Sekretärin Christina denken, die dort gesessen hatte: eine junge Frau mit einem schönen, wohlproportionierten Gesicht und einer kleinen Stupsnase. Jetzt war ihr Platz leer. Ob sie noch lebte? Oder war sie bereits tot, und ihre Leiche lag grausam entstellt irgendwo auf den Straßen Berlins? Und was war mit den anderen Mitarbeitern passiert? Welches Schicksal hatte sie ereilt? Schanz bereute einen kurzen Augenblick, dass er sich nie wirklich für die Menschen, sondern immer nur für ihre Arbeitsleistung interessiert hatte.
»Los, weitergehen!«, stieß Barabbas hervor und drückte ihm den Lauf der Pistole in den Rücken.
Schanz ging weiter und öffnete die Doppeltür aus dunkler Eiche zu seinem Büro. Die Einrichtung war unterkühlt-nüchtern gehalten: ein schwarzes Ledersofa mit Chromfüßen, vier Freischwinger-Stühle im Bauhausstil vor einem modernen schwarzen Schreibtisch, auf dem in einem silbernen Rahmen ein Bild von seiner Frau und den Kindern stand. Die langstieligen Blumen in der weißen Bodenvase aus Glas, die in einer Ecke des Raumes stand, waren längst verwelkt. Manch einer wäre geneigt gewesen, von einem solch nüchternen Interieur gleich auf einen unterkühlten Charakter zu schließen. Doch die Einrichtung war typisch für Firmen, die mit
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