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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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er darüber hinaus wohl noch irgendeine Gefahr darstellt.
    Ich muss an das zurückdenken, was er bei der Versammlung gesagt hat: Ich war neun, als man mir erklärte, dass ich sterben würde.
    Wie es sich wohl anfühlt, langsam zu sterben?
    Wie es sich wohl anfühlt, schnell zu sterben?
    Ich bohre mir die Fingernägel in die Handflächen, um die Erinnerungen zurückzudrängen.
    Das Getrommel kommt von einem Ort hinter dem Podium, einem Teil des Platzes, den man nicht einsehen kann. Dort spielt offenbar eine Marschkapelle. Der Sprechgesang schwillt an und jetzt fallen alle ein, die ganze Menge schwankt im Rhythmus mit. In der Entfernung kann ich noch einen anderen Rhythmus ausmachen, ein zerrissenes Stakkato: VDFA – verdammt desaströs für alle … Das Heilmittel soll schützen, nicht schaden …
    Die Andersdenkenden. Sie müssen irgendwo abgesondert sein, weit entfernt vom Podium.
    Lauter, lauter, lauter. Ich stimme ein, mein Körper wird vom Rhythmus mitgerissen, ich spüre, wie das Brummen dieser Tausende von Menschen durch meine Füße bis in meine Brust dröhnt. Und obwohl ich an nichts davon glaube – nicht an die Worte, die Sache, die Menschen um mich herum –, erstaunt es mich doch, wie sehr es mich aufputscht, in einer Menge zu stehen; diese Spannung, das Gefühl der Macht.
    Gefährlich.
    Gerade als die Sprechgesänge einen Höhepunkt erreichen, löst sich Thomas Fineman plötzlich von den Leibwächtern und steigt die Treppe zum Podium hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Der Rhythmus wird zu Wellen aus Rufen und Applaus. Überall tauchen weiße Banner und Fahnen auf, entrollen sich, flattern im Wind. Einige von ihnen sind von der VDFA. Andere sind einfach nur lange Streifen Stoff. Der Times Square ist voller schmaler weißer Tentakel.
    »Vielen Dank«, spricht Thomas Fineman ins Mikrofon. Seine Stimme dröhnt über uns alle hinweg, dann ertönt ein durchdringendes kreischendes Geräusch, als das Mikro aufheult. Fineman zuckt zusammen, legt die Hand über das Mikrofon und beugt sich zurück, um jemandem eine Anweisung zuzuflüstern. Als er den Hals schräg hält, ist seine Eingriffsnarbe genau zu erkennen. Das dreigezackte Mal wird auf der Leinwand vergrößert.
    Ich sehe zu Julian hinüber. Er steht mit verschränkten Armen hinter den Leibwächtern und beobachtet seinen Vater. Ihm muss kalt sein; er trägt nur ein Jackett über dem Hemd.
    »Vielen Dank«, versucht es Thomas Fineman erneut, und als es diesmal keine Rückkopplung gibt, fügt er hinzu: »Jetzt ist es besser. Meine Freunde …«
    Dann geschieht es.
    Peng. Peng. Peng.
    Drei kleine Explosionen wie die Feuerwerkskörper, die wir am vierten Juli immer im Eastern Promenade Park gezündet haben.
    Ein Schrei, durchdringend und verzweifelt.
    Und dann ist überall Lärm.
    Wie aus dem Nichts, von überall her, tauchen schwarz gekleidete Gestalten auf. Sie klettern aus der Kanalisation, steigen aus dem Boden auf, materialisieren sich hinter dem stinkenden Rauch. Sie seilen sich wie Spinnen an langen schwarzen Tauen von den Häusern ab. Sie rasen mit glitzernden, scharfen Klingen durch die Menge, schnappen sich Handtaschen, reißen den Menschen Ketten vom Hals und schneiden Ringe von ihren Fingern. Zack. Zack.
    Schmarotzer. Mein Innerstes verflüssigt sich. Mir stockt der Atem.
    Die Leute schieben und schubsen, versuchen verzweifelt einen Weg nach draußen zu finden. Die Schmarotzer haben uns umzingelt.
    »Runter, runter, runter!«
    Jetzt ist die Luft von Schüssen erfüllt. Die Polizei hat das Feuer eröffnet. Ein Schmarotzer ist ein Gebäude halb nach unten geklettert, als ihn eine Kugel in den Rücken trifft. Er zuckt einmal kurz, dann hängt er schlaff am Ende seines Seils und schaukelt leicht im Wind. Eine der VDFA-Fahnen hat sich in seiner Ausrüstung verheddert; ein Blutfleck breitet sich langsam auf dem weißen Stoff aus.
    Ich bin in einem Albtraum. Ich bin in der Vergangenheit. Das hier passiert nicht wirklich.
    Jemand schubst mich von hinten und ich lande ausgestreckt auf dem Boden. Der Aufprall auf dem Asphalt bringt mich augenblicklich wieder zu Bewusstsein. Die Leute rennen, trampeln und ich kann mich gerade noch unter einem Paar schwerer Stiefel wegdrehen.
    Ich muss wieder auf die Beine kommen.
    Ich versuche mich aufzurichten und werde erneut umgestoßen. Diesmal entweicht alle Luft aus meiner Lunge und ich spüre das Gewicht von jemandem auf meinem Rücken. Und plötzlich packt mich die Angst heftig und ungebremst. Ich muss

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