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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Körper zu Boden fällt. Mehr Geschrei.
    Ich beuge mich vor und drücke. Die Tür schwingt einen knappen Meter weit auf, dahinter herrschen völlige Dunkelheit und ein durchdringender muffiger Geruch.
    Ich blicke nicht zurück.
    Ich schließe die Tür hinter mir und bleibe einen Moment stehen, damit sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnen, lausche dabei auf Stimmen oder Schritte. Nichts. Der Geruch ist hier drinnen noch intensiver; es ist der Geruch nach altem Tod, nach Tierkadavern und Verwesung. Ich atme durch meinen Jackenärmel. Links von mir ist ein stetiges Tropfen zu hören. Abgesehen davon ist es still.
    Vor mir ist eine Treppe, die von zerknitterten Zeitungsresten, zerquetschten Styroporbechern und Zigarettenkippen übersät ist, alles schwach erleuchtet von einer elektrischen Laterne wie der, die wir in der Wildnis immer benutzt haben. Irgendjemand muss sie hier hingestellt haben.
    Überaus wachsam gehe ich auf die Treppe zu. Julians Leibwächter könnten gehört haben, wie ich die Tür aufgedrückt habe. Möglicherweise liegen sie irgendwo auf der Lauer, bereit, auf mich loszugehen. In Gedanken verfluche ich die Metalldetektoren und Körperscanner. Ich würde alles dafür geben, jetzt ein Messer, einen Schraubenzieher oder irgendetwas dabeizuhaben.
    Dann fällt mir mein Schlüsselbund ein. Ich ziehe erneut den Rucksack von meiner Schulter. Als ich den Ellbogen bewege, fährt mir der Schmerz bis zur Schulter und lässt mich nach Luft schnappen. Zum Glück bin ich auf den linken Arm gefallen – wenn ich mir den rechten verletzt hätte, wäre ich zu nichts zu gebrauchen.
    Ich finde den Schlüsselbund ganz unten im Rucksack, nachdem ich quälend langsam darin herumgekramt habe, um nicht zu viel Lärm zu machen. Ich balle die Hand zur Faust und stecke je einen Schlüssel zwischen zwei Finger, so wie Tack es mir gezeigt hat. Es ist keine richtige Waffe, aber besser als nichts. Dann steige ich die Treppe hinunter, während ich die Schatten nach irgendwelchen Bewegungen absuche, nach Umrissen, die plötzlich in der Dunkelheit auftauchen.
    Nichts. Alles ist vollkommen unbewegt und es ist ganz still.
    Am Fuß der Treppe steht ein schmuddeliges Glashäuschen, immer noch von Fingerabdrücken übersät. Dahinter ist eine ganze Reihe Drehkreuze, etwa ein Dutzend, wie stillgelegte Mini-Windmühlen. Ich klettere über eins davon und lande sanft auf der anderen Seite. Von hier aus führen mehrere Gänge in die Dunkelheit, jeder mit einem anderen Symbol gekennzeichnet, noch mehr Buchstaben und Zahlen. Julian könnte jeden von ihnen entlanggegangen sein. Und alle verlieren sich in der Dunkelheit. Das Licht der Laterne dringt nicht so weit vor. Ich überlege, ob ich zurückgehen soll, um sie zu holen, aber das würde mich nur verraten.
    Ich bleibe erneut stehen und lausche. Erst ist da nichts. Dann meine ich einen gedämpften Schlag aus dem Tunnel links von mir zu hören. Sobald ich jedoch auf das Geräusch zugehe, ist wieder alles still. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich mir den Laut nur eingebildet habe, und zögere frustriert, unsicher, was ich tun soll. Ich bin mit meiner Mission gescheitert, das ist offensichtlich – meiner ersten echten Mission in der Bewegung. Andererseits können mir Raven und Tack nicht vorwerfen, dass ich Julian während des Angriffs der Schmarotzer aus den Augen verloren habe. Dieses Chaos konnte ich nicht vorhersehen oder mich darauf vorbereiten. Niemand konnte das.
    Wahrscheinlich ist es das Beste, ein paar Stunden hier unten zu warten, wenigstens bis die Polizei die Ordnung wiederhergestellt hat, was ihr zweifellos gelingen wird. Wenn nötig bleibe ich über Nacht hier. Morgen kümmere ich mich darum, wie ich nach Brooklyn zurückkomme.
    Da schießt plötzlich ein Schatten links an mir vorbei. Ich wirbele mit ausgestreckter Faust herum, schlage aber nur in die Luft. Eine riesige Ratte huscht vor mir weg, gerade mal zwei Zentimeter von meinem Schuh entfernt. Ich atme aus und beobachte, wie die Ratte einen anderen Tunnel entlangrennt. Ihr langer Schwanz schleift durch den Dreck. Ich habe Ratten schon immer gehasst.
    Da höre ich es, deutlich und unverwechselbar: zwei Schläge und ein langes Stöhnen, eine Stimme, die jammert: »Bitte …«
    Julians Stimme.
    Mein ganzer Körper kribbelt. Angst umklammert meine Eingeweide mit aller Macht. Die Stimme kam von irgendwo weiter hinten im Tunnel, aus völliger Finsternis.
    Ich weiche bis an die Wand zurück und presse mich flach dagegen.

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