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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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des Heilmittels, bevor alle Grenzen geschlossen wurden. Tack hat es in der Nähe der Zuflucht gefunden, eines Stützpunkts in New Jersey, der nur durch den Fluss von New York getrennt ist. Wir waren dort untergekrochen, während wir auf unsere gefälschten Papiere warteten. Eines Tages entdeckte Tack ein komplettes, perfekt erhaltenes Fotoalbum unter einem Haufen Steine und verkohltem Holz. Abends blätterte ich es durch und tat so, als wären diese Fotos meine – dieses Leben mit Bekannten und Freunden und blinzelnden, lachenden Sonnenschnappschüssen.
    Der Times Square sieht jetzt ganz anders aus als damals. Als ich mich inmitten der Menge vorwärtsschiebe, stockt mir der Atem. Ein hoch aufragendes Podium ist an einem Ende des riesigen Platzes aufgebaut worden, unter einer so großen Plakatwand, wie ich sie noch nie gesehen habe. Sie ist komplett mit den Abzeichen der VDFA behängt: rote und weiße Quadrate, die sanft im Wind flattern.
    Die Vereinigte Kirche der Religion und Wissenschaft hat auch eine Plakatwand in Beschlag genommen und sie mit ihrem Hauptlogo in Übergröße geschmückt: einer riesigen Hand, die ein Wasserstoffmolekül birgt. Die anderen Plakatwände – und es gibt Dutzende davon, enorme weiße Wände – sind alle bis zur Unleserlichkeit verblasst, so dass man nicht erkennen kann, was dort mal beworben wurde. Auf einer meine ich den geisterhaften Aufdruck eines Lächelns zu erkennen.
    Und natürlich sind auch all die Leuchtreklamen aus.
    Das Foto, das ich vom Times Square gesehen habe, war nachts aufgenommen worden, aber es hätte genauso gut mitten am Tag sein können. Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Lichter gesehen, hätte sie mir noch nicht einmal vorstellen können. Strahlende, glänzende Lichter, die in allen möglichen Farben aufleuchten und mich an diese Flecken erinnern, die den Blick trüben, nachdem man aus Versehen direkt in die Sonne geguckt hat.
    Die Glühbirnen sind noch da, aber sie sind dunkel. Auf vielen der kaputten Leuchtreklametafeln hocken Tauben. In New York und seinen Partnerstädten gibt es obligatorische Stromsperren, genau wie in Portland, und obwohl es mehr Autos und Busse gibt, sind die Sperrzeiten strenger und häufiger. Es gibt einfach zu viele Leute und nicht genug Saft für alle.
    Auf dem Podium stehen Mikrofone und Stühle, dahinter hängt eine riesige Videoleinwand. Uniformierte Männer legen letzte Hand an den Aufbau. Dort beim Podium wird Julian sein; ich muss irgendwie näher ran.
    Ich versuche mich langsam und vorsichtig durch die Menge zu drängen. Es ist mühsam und geht nur im Schneckentempo voran. Ich muss schubsen, die Ellbogen einsetzen und jedes Mal »Entschuldigung« sagen, wenn ich mich an jemandem vorbeizwänge. Da hilft es mir nicht mal, dass ich nur eins siebenundfünfzig groß bin. Es ist einfach nicht genug Platz zwischen den Körpern – es gibt keine Lücken, durch die man sich hindurchschieben könnte.
    Angst steigt in mir auf. Wenn die Schmarotzer wirklich kommen – oder sonst etwas passiert –, ist nicht genug Platz zum Weglaufen. Wir sind hier eingesperrt wie Tiere in einem Gehege. Die Leute würden sich beim Versuch, hier rauszukommen, gegenseitig tottrampeln. Eine Massenpanik.
    Aber die Schmarotzer kommen bestimmt nicht. Das würden sie nicht wagen. Es ist zu gefährlich. Hier sind zu viele Aufseher, zu viele Polizisten, zu viele Waffen.
    Ich quetsche mich an mehreren mit einem Seil abgesperrten Tribünen vorbei, auf denen Mitglieder des Jugendverbands der VDFA sitzen, Mädchen und Jungen natürlich getrennt voneinander in unterschiedlichen Bereichen. Sie vermeiden angestrengt, einander anzusehen.
    Schließlich schlage ich mich bis zum Fuß des Podiums durch. Die Plattform muss drei oder vier Meter hoch sein. Die Redner gelangen über eine Reihe hölzerner Stufen hinauf. Unten an der Treppe haben sich ein paar Leute versammelt. Hinter einer Gruppe aus Leibwächtern und Polizisten kann ich Thomas und Julian Fineman erkennen.
    Julian und sein Vater sind identisch gekleidet. Julians Haar ist mit Gel zurückgekämmt und lockt sich hinter seinen Ohren. Er tritt von einem Fuß auf den anderen, offenbar im Versuch, seine Nervosität zu verbergen.
    Ich frage mich, warum er so wichtig ist – warum mir Tack und Raven gesagt haben, ich solle ihn im Auge behalten. Klar, er ist zu einer Symbolfigur für die VDFA geworden – weil er bereit ist, ein Opfer für die öffentliche Sicherheit zu bringen –, aber ich überlege, ob

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