Pandoras Kuss
verabschiedete. Doch das tat sie nicht, sondern führte mich durch das Vorzimmer und den Flur bis zum Aufzug.
Der Flur lag verlassen.
Rava und wir beiden Frauen schienen die einzigen zu sein, die noch nicht zum Lunch gegangen waren.
29 .
Ich stand in Ge danken versunken vor dem Aufzug als sich Ravas Vorzimmerdame mit einem knappen Nicken und einem schüchternen Lächeln von mir verabschiedete und übertrieben mit ihrem festen kleinen Po wackelnd zu Ravas Vorzimmer zurück ging.
Ich sah ihr nach.
Irgendwo hatte ich sie schon einmal gesehen, dachte ich. Es dauerte einen Moment bis es mir einfiel. Als ich sie zuletzt sah trug sie nichts weiter als schwarze Stiefel und eines von Persephones Halsbändern und hatte außerdem eine Peitsche dabei gehabt.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich. Ich trat hinein und wartete ab bis er sich in Bewegung setzte. Ich hielt ihn an und sank dann zu Boden.
Mir war plötzlich kalt und die Schmetterlinge, die dazu in meinem Bauch umherflatterten, waren nicht fröhlich bunt und erwartungsvoll, sondern schwarz, träge und seltsam monströs.
Ich hatte meine Zweifel an Persephones ominöser dritter Partei gehabt, aber das war seit meiner Begegnung mit Rava endgültig vorbei.
Alles passte zu gut zusammen. Er hatte mühelos Zugang zu allen relevanten Informationen über mich. Er hatte vor seiner Versetzung hierher in Marseille gedient, dort wo auch diese Grundschullehrerin lebte, deren Fingerabdruck ich auf dem Halsband identifizierte.
Zufall?
Möglich. Aber nicht wahrscheinlich.
Kein Mensch hatte meinem Halsband bisher einen zweiten Blick gegönnt. Jedenfalls keiner, der nicht irgendwie mit der Welt der dunklen Fee verbunden war.
Rava hingegen hatte es nicht nur bemerkt, sondern offenbar auch als das eingeordnet, was es wirklich war, nämlich KEIN simpler Modeschmuck.
Zufall?
Unwahrscheinlich.
Da waren die Beweisfotos, die Persephone mir bei unserem ersten Zusammentreffen vorwies. Die waren das Ergebnis von sehr solider Schnüffelarbeit. Der Sorte Schnüffelarbeit, die Polizisten besser beherrschten als sonst irgendwer. (Mal abgesehen von Ex-Polizisten .)
Auch ein Zufall?
Noch unwahrscheinlicher.
Und natürlich war da diese Vorzimmerdame, die mich gerade schüchtern angelächelt hatte.
Das konnte gar kein Zufall sein.
Rava war diese mysteriöse zweite Partei, von der Persephone behauptete, dass die hinter der Vereinbarung stand, die ich bei ihr unterzeichnet hatte.
Was nun, fragte ich mich.
Meine schamlose innere Hexe führte in ihrer Lasterhöhle einen wilden Freudentanz auf. Alexandre Rava - der bestaussehende Mann dieser Stadt - hatte weder Kosten noch Mühe gescheut, um Mademoiselle Marie-Colbert zu seinem Sexspielzeug zu machen?
„ Was gab es da schon noch nachzudenken“, rief die kleine Hexe. „Und wenn der Typ tausendmal pervers war, am Ende war er auch nur ein Mann. Irgendwann würde er seine Maske fallen lassen und sich sozusagen auch ganz offiziell zu erkennen geben. Und dann, meine Liebe, war er wahrscheinlich Wachs in deinen Händen .“
Wo die verruchte Hexe solch wilde Freudentänze aufführte, konnte Schwester Marie-Claires Moralzeigefinger nicht weit sein.
„Rava ist verheiratet!“, rief sie entsetzt aus, „außerdem dein Vorgesetzter, vor allem aber ist er offensichtlich genauso pervers wie die dunkle Fee. Dieser Typ bezog seine Kicks daraus eine Untergebene zu stalken und sexuell zu erpressen! Sexy hin oder her – der Mann war gefährlich !“
Ich versuchte sowohl die kleine Hexe als auch Schwester Marie-Claire zu ignorieren. Ein heldinnenhafter Kampf.
„Mademoiselle? Sie haben den Nothalt betätigt. Wie können wir Ihnen behilflich sein?“, ertönte eine tiefe männliche Stimme in die Stille hinein.
Erschrocken fuhr ich auf.
Natürlich – da war eine Kamera an der Aufzugdecke.
Ich sah zu ihr auf, winkte dann und schüttelte den Kopf , um ihm klar zu machen, dass mit mir alles in Ordnung war.
Dann stand ich auf und betätigte den Halteknopf ein zweites Mal. Der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Abwärts.
Mein Telefon meldete sich.
Capitaine Hublot, der mir mitteilte, dass Kavakians Anwalt eben eine Anzeige gegen
mich zu Protokoll gegeben hatte.
“Weswegen?“, fragte ich.
„Sexuelle Belästigung.“
30 .
Der Raum war grau.
Grau waren die Wände, grau war der Boden und grau waren der Tisch, die Stühle und grau schimmerte sogar der Zwei-Wege-Spiegel hinter mir. Einzige Ausnahmen in diesem Ozean
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