Pandoras Kuss
Idee war , jetzt von meinem Platz aufzustehen.
Ich wäre ziemlich wackelig auf den Beinen gewesen – um es mal vorsichtig auszudrücken. Und so sensibilisiert wie das Innere meiner Blüte war, hätte ich sowieso für nichts garantieren können, sollte ich mich jetzt von meinem Platz erhebe n, um ein Bein vors andere zu setzen.
Außerdem bestand ja wohl die Gefahr, dass ich irgendwo Persephone und ihrer Clique über den Weg lief. Oder schlimmer - und zwar viel schlimmer – Rava und dessen Elfeinhalb-auf–der-Zehn–Punkte–Skala-Ehefrau. Und ihr hätte ich nicht in die Augen sehen können, nachdem ihr Mann mir gerade einen der schärfsten Orgasmen meines Lebens beschert hatte.
Nein, am besten blieb ich hier sitzen und tat weiter so, als könnte ich kein Wässerchen trüben.
Ich war nicht die einzige in meiner Reihe, die beschlossen hatte, die Pause hier zu verbringen.
Aber ich war die einzige, die allein auf ihrem Platz geblieben war. Abgesehen von der jungen Frau neben mir , schien ich sowieso so ziemlich die einzige zu sein, die ohne Partner hier war.
Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und versuchte an irgendetwas zu denken, das nichts mit Sex zu tun hatte.
Es gelang mir nicht.
3 6.
Auf der Bühne des Paradis Perdu tanzten Showgirls mit nackten Brüsten und riesigen Teufel shörnern um zwei gut gebaute Männer in Nadelstreifenanzügen herum. Die Musik dazu war sinnlich und berauschend, dennoch lag bereits eine Andeutung kommenden Unheils darin.
Ich bin sicher , dass ich erneut beobachtet werde, nur haben sowohl Rava als auch Persephone ihre Operngläser auf die Bühne gerichtet. Allerdings hält Ravas Frau sich weiter im Schatten – wohin sie blickt kann ich nicht sagen. Ein unangenehmes Kribbeln läuft über meinen Nacken. Zwar ignoriere ich es so gut es geht. Doch Schwester Marie-Claire überschüttet mich einmal mehr mit Vorwürfen, während die kleine Hexe sich ganz auf die Vorgänge auf der Bühne konzentriert. Sie hat Gefallen an den Tänzern und jenen beiden oben-ohne-Teufelinnen gefunden. Schamloses Stück – gerade noch wäre sie in den Armen des imaginären Rava fast vergangen, schon wandte sie sich neuen Reizen zu.
Auf der Bühne des Paradis Perdu machten die Tänzer einem schmierigen Typen im Smoking Platz, dazu ertönt dieser mitreißende Torero-Marsch, den jede rmann kennt. Das musste Escamillo sein, der Mann für alle Ver- und Gelegenheiten, der Don Juan und Freund aller Welt.
Carmen hat es ihm angetan, er wirft sich in Pose und umtänzelt sie. Doch sie macht sich über ihn lustig. Wie die beiden sich auf der Bühne aneinander maßen und miteinander spielten, hatte schon etwas. Weder die rote Carmen noch der schmierige Escamillo begreifen wirklich wie ihnen da geschieht.
Als ob mir das nicht irgendwie bekannt vorkam. Das Leben – always stranger than fiction, s ogar dann, wenn es auf der Bühne stattfand.
Keiner zähmte das wilde Vögelchen der Liebe. Und solange sie so frisch und sehnsuchtsvoll war, wie Carmens Liebe für ihren Helden Don Jose, duldete sie erst recht keine anderen Götter neben ihr.
Wie gerufen tauchte natürlich Don Jose im Stripclub auf, gerade dann als Escamillo die erste Runde seiner Werbung um die rote Carmen beendete. Don Jose und Carmen besingen ihr Wiedersehen. Sie ist ganz die seine, inklusive schwarzem Satinkleid, roter Reizwäsche, wilder Lockenmähne, saftigem Kussmund und hoch geschnürten High-Heels.
W ährend Carmen und Don Jose ihr Widersehen besingen, irrt im Bühnenhintergrund eine erschütterte Micaëla in ihrem Trenchcoat und dem biederen Kostümchen herum.
Als Don Jose zu Pflicht und Dienst zurückkehren will, stellt die empörte Carmen ihn vor die Wahl: sie oder das Revier.
Was folgt ist bekannt.
Carmens vielfältige Talente finden Anwendung bei einer Schmugglergang, und vor die Wahl gestellt , ihr zu folgen oder zu Dienst und Pflicht ins Revier zurückzukehren, entschloss Don Jose sich für Carmen. (Wie hätte er auch anders? Sie war Supersexywoman und er, na ja – er war eben bloß ein Mann.)
So nimmt denn das Unglück seinen Lauf.
Unter den Schmugglern ist Carmen der Star, während Don Jose höchstens zum Clown taugt. Carmens Liebe erkaltet. Während Don Jose ihr seine Sehnsucht und Liebe singt, sitzt sie in ihrem Zimmer neben dem Plastiktiger und säuft.
Als sie in einer gemeinsamen Arie zusammenkommen , beklagt er, was er für sie aufgegeben hatte, doch sie besteht auf ihrer Freiheit. Sie war
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