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Pandoras Kuss

Pandoras Kuss

Titel: Pandoras Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Polo
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gerade auf seine perverse Kopfkinoart flachlegte.
    (Nicht, dass es eine rundum so furchtbare Vorstellung war, ausgerechnet von Alexandre Rava flachgelegt zu werden. Aber frau hätte sich dann – statt dieser Kopfkinonummer - doch mehr ganz altmodische Haut an Haut Übungen gewünscht).
    Mein Platz lag in der Mitte der Sitzreihe. Die Premiere musste wirklich ausverkauft sein, denn nicht weniger als zehn Plätze im ganzen Zuschauerraum waren noch frei, sobald der zweite Gong ertönte.
    Links neben mir hatte ein Ehepaar Platz genommen. Er war um die Fünfzig, sie wohl etwas jünger. Beide freuten sich ganz offensichtlich auf die Vorstellung, aufgeregt steckten sie ihre Köpfe zusammen um leise miteinander zu flüstern . Der Mann blickte seine Frau stolz an und küsste sie sacht auf die Wange.
    Wie herzig.
    Rechts neben mir saß eine junge Frau. Sie trug ein grünes , bodenlanges Abendkleid und hielt ihre Hände steif im Schoss gefaltet. Ihre Mine war ausdruckslos, ihre Lippen blieben alle Zeit fest aufeinander gepresst. Nur aus ihren blitzenden Augen und ihrem zunehmend aufgeregteren Atemzügen war ihre spannungsvolle Erwartung herauszulesen.  Sie war offenbar allein gekommen, denn neben ihr saß ein weiteres Pärchen.
    Im Orchestergraben trafen die Musiker ihre letzten Vorbereitungen. Es konnte nicht mehr lange dauern , bis der Vorhang sich hob.
    Ich rutschte unruhig auf dem gepolsterten Sitz umher und konzentrierte mich auf die Bühne vor mir.  Das, redete ich mir ein, war der einzige Weg jetzt nicht den Verstand zu verlieren.
    Applaus brandete auf , sobald der Dirigent seinen Platz einnahm.
    Die ersten Takte eines Marsches ertönten.
    Ich erkannte ihn sofort. Er war in so vielen Shows, Filmen und Supermärkten heruntergedudelt worden - jedes Kind kannte ihn. Aber hier in diesem weitläufigen, himmelhohen Raum wirkte er plötzlich so frisch und kraftvoll, als würde er hier zum allerersten Mal gespielt.
    Oha.
    Der Vorhang aus rotem mit Gold abgesäumten Samt öffnete sich einen Spalt breit.
    Ein Mann in einem modernen Anzug trug eine Frau herein.
    Sie schwenkte eine Fla sche Champagner, sie trank einen Schluck daraus, schüttete dann einen weiteren in den bereitwillig geöffneten Mund des Mannes.
    Beide lachten.
    Er schwenkte sie herum.
    Die Frau sprang von ihm herab und machte einige energische Schritte auf der Bühne, bevor sie einen Moment ins Publikum sah , und sich dann erneut einen Schluck Champagner in den Mund schüttete, wobei ein gut Teil der Flüssigkeit über Mund, Kinn, Hals an ihr herabfloss.
    Sie trug ein glänzendes rotes Unterkleid, dazu rote Stöckelschuhe. Ihr Büstenhalter und das Höschen waren ebenso rot wie Schuhe und Unterkleid – das war Carmen.
    Der Vorhang flog endgültig zur Seite und gab den Blick auf die Bühne frei.
    Eine Straße, die sich ebenso gut in Paris wie in Brooklyn befinden konnte. 
    Drei schäbige moderne Gebäude darin.
    Davor ein schmaler Platz.
    Eines der Gebäude war eine Polizeistation. Eine Trikolore hing schlaff von einer Stange neben dem Eingang herab, zu dem einige Stufen hinaufführten.  
    Carmen lief lachend darauf zu, riss die Trikolore herab und vertauschte sie mit ihrem roten glänzendem Unterkleid, das sie zuvor wie eine Stripperin elegant an sich herab gleiten lassen hatte.
    Der Mann im Anzug lachte – und trank die Flasche aus.
    Die Bühne drehte sich – ein Revuetheater wurde sichtbar. Oder war es ein Stripclub? „ Paradis Perdu – Das verlorene Paradies“ stand in goldflammenden Neonlettern über dessen Bühne.
    Diese Carmen da mit ihrer roten Mähne, dem großen Mund, roten Heels und roten Dessous drehte keine Zigarren, sondern war Revuegirl und Stripperin. Und gerade hatte sie bei der Polizeistation fröhlich ihr rotes Unterkleid gegen die Trikolore ausgetauscht. Dazu ertönte immer noch diese frische kraftvoll frohe Musik, die mittlerweile den ganzen Zuschauerraum vibrieren ließ.
    Stolz blickte Carmen ins Publikum, riss dann triumphierend die Arme hoch und präsentierte sich in ihrer roten Reizwäsche wie eine Siegerin. Zuletzt schritt sie verächtlich über die Trikolore hinweg auf den Stripclub zu.
    Okay – da war nicht viel Raum für falsche Interpretationen. Jetzt und hier lag das Ende von Sitte Anstand und Moral, wie man sie kannte.
    D as war schon etwas.
    Eigentlich war das sogar ziemlich großartig. Und dabei hatte die Vorstellung gerade erst begonnen.
    Die Musik, das tanzende Paar – die Bühne, das alles war schon überwältigend.

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