Pandoras Kuss
Jahren Philosophiestudium an der Sorbonne für derart offensichtliche Hinweise blind geworden.
Dann eben deutlicher, dachte ich.
„Willst du eine Anzeige aufgeben?“
Amelie ließ ihre Nase los und schüttelte den Kopf.
„Dann hast du hier nix zu suchen.“
Sie ignorierte das und öffnete ihr Täschchen.
Sämtliche Blicke im Raum waren auf uns gerichtet. Sogar die beiden Festgenommenen in den Verwahrzellen waren an die Fensterchen in ihren Zellentüren getreten , um genauer zu sehen was da solchen Wirbel machte.
„Du hast neulich etwas bei mir vergessen ….“
Ich?
Bei ihr?
Etwas vergessen?
Ich wurde blass. Dann knallrot.
Oh Gott!
Natürlich.
Das einzige, was ich - in gewissem Sinne – je bei ihr vergessen haben konnte war mein Höschen in dem Lift.
Sie würde doch nicht …?!
Hier ? Vor allen Leuten!?
Sie suchte weiter in ihrem Täschchen herum. Ich war wie versteinert vor Schreck. Diesmal wünschte ich mir nicht einfach im Erdboden versinken zu dürfen. Das wäre angesichts dieser Peinlichkeit zu wenig gewesen. Was ich wollte, war einfach tot umzufallen.
„… du musst es schon vermisst haben, oder?“
Sie brachte ein helles Papiertütchen zum Vorschein und legte es auf meinen Schreibtisch.
Amelie genoss einen letzten Moment mein Erstaunen, dann warf sie mir eine Kusshand zu, sagte „Bis dann mal, Süße!“, wandte sich ab und tackerte durch den Raum zur Tür zurück.
Auf ihrem Minikleid exakt in Höhe ihrer linken, perfekt geformten Pobacke prangte ein großer roter Kussmund.
Bei der Tür angelangt , wandte sie sich noch einmal um, winkte und meinte „Machen Sie weiter! Die dankbaren Bürger dieser Stadt lieben Sie!“
Amelie streckte ihren Hintern heraus und wackelte damit, was den großen roten Kussmund auf dem Kleid natürlich prominent in Szene setzte.
„Ciao!“ , rief sie.
Einen Moment darauf war sie durch die Tür und gleich darauf hörte ich, wie das Ticker-Tacker ihrer Pfennigabsätze draußen auf dem Parkplatz allmählich verklang. Zuletzt ertönte das charakteristische Geräusch des Motors ihres Sportwagens.
„Wer war das denn?“, funkelte Hubert Carass mich zornig an. Er hatte den IQ einer Eidechse, aber die anderen Jungs im Revier mochten ihn.
Ich steckte das Tütchen weg.
„Lange Story …“, murmelte ich.
„Du kennst Amelie Mendes-Gary? Echt! Wow!“, bekundete mir Nadine ihre Bewunderung. Da sie Amelie erkannt hatte, las sie die Klatschspalten wohl öfter und aufmerksamer als ich.
„So ähnlich …“, versuchte ich abzuwiegeln und nahm mir im Stillen vor Amelie umzubringen.
„Wenn du die Schnalle kennst, Marie, solltest du dringend mal mit ihr über ihren Klamottengeschmack reden …“, meinte Carass.
Ich zuckte die Achseln und dachte, wenn du wüsstest , worüber ich gerade jetzt am liebsten mit ihr diskutieren würde, wäre der Stinkefinger auf ihrem Kleid noch das geringste Deiner Probleme, mein Freund.
Erst eine ganze Weile später, sobald ich sicher sein konnte, dass die Aufmerksamkeit i m Raum sich wieder anderen Dingen zugewandt hatte, wagte ich es mit klopfendem Herzen endlich das Tütchen zu öffnen und hineinzusehen.
Darin lag – Oh Glück! Oh Erleichterung und Freude! – kein Höschen, sondern ein silbernes Armbändchen mit kleinen Steinchen und Figürchen daran.
In den Touristenneppläden um die Kathedrale und dem Opernplatz herum verkaufte man diese Teile für zwanzig Euro das Stück. Aber außer dem Armbändchen war auch eine ihrer cremefarbenen Büttenpapiernachrichten darin. „Freitag 17 Uhr. Am Brunnen“ stand darauf.
Ich kam nicht dazu mich weiter damit zu beschäftigen, weil Hublot mich in sein Büro winkte.
Zum meiner Erleichterung erkundigte er sich jedoch nur nach dem neuesten Stand der Ermittlungen in den Obdachlosendiebstählen.
Sobald ich ihn auf den neuesten Stand gebracht hatte, erkundigte ich mich, ob er irgendetwas von der Schnüffelbrigade gehört hätte.
„Nichts“, meinte er. „Lass dich bloß nic ht kirre machen von denen!“
Na klar.
„Andererseits … versteh mich recht, Marie, dein Privatleben geht mich eigentlich nichts an aber dein Besuch gerade eben, das war Amelie Mendes-Gary, oder?“
Oh bitte sehr - nicht auch noch er!
„War sie. Weshalb?“
Hublot zog die Mundwinkel nach unten und zuckte dann die Achseln.
„Kein guter Umgang für einen Bullen.“
Was?
„Wieso?“
„Ach nur so“, antwortete er und ging wohl stillschweigend davon aus, dass ich es dabei
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