Pandoras Tochter
danach, wenn er mir telefonisch Bericht erstattet.«
Er hatte seine sexy Ausstrahlung heruntergeschraubt, als wäre sie eine Lampe, die zu hell gestrahlt hatte. Sie war immer noch da, aber Megan gelang es, sie zu ignorieren. »Ich könnte etwas zu essen vertragen. Auf dem Flug nach Stockholm war ich zu aufgeregt.«
»Ich weiß.« Er fuhr von der Straße ab und hielt vor Le Petit Chat, einem langgestreckten, niedrigen Fachwerkhaus mit Butzenscheiben. »Deshalb hab ich dir Harley mitgeschickt – auf diese Weise musstest du dich nicht mit mir abgeben.«
»Ich schätze, das war eine Schlussfolgerung.« Unvermittelt drehte sie sich zu ihm. »Es war doch nichts anderes, oder? Wie viel ist normales Einfühlungsvermögen und wie viel nicht?«
»Du willst wissen, ob ich deine Gedanken lesen kann? Nein. Ob ich außergewöhnlich sensitiv bin, wenn es um deine Empfindungen geht? Absolut. Du hast instinktiv gelernt, wie du meine Kontrolle ausschalten kannst, aber dieses Feingefühl bleibt.« Er stieg aus und ging auf ihre Seite, um ihr die Beifahrertür aufzuhalten. »Doch selbst wenn es diese Verbindung nicht gäbe, hätte ich gewusst, dass du eine Erholungspause von mir brauchtest. Es ist einfach ein gutes Gespür.«
»Ist das die Wahrheit?«
»Es ist die Wahrheit. Ich mag dir hin und wieder etwas verschweigen, aber so dumm, dich anzulügen, bin ich nicht.« Er lächelte. »Weil du, was mich betrifft, auch außergewöhnlich sensitiv bist. Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Wegen der Verbindung? Ich brauche dich nicht mehr, um die Stimmen auszublenden. Kannst du die Verbindung nicht einfach abbrechen?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wie so was geht. Ich habe noch nie mit jemand anderem eine solche Verbindung aufgebaut. Deshalb wollte ich es damals in der Höhle auch nicht tun, aber ich hatte keine Wahl.« Er half ihr beim Aussteigen. »Vielleicht hängen wir für den Rest unseres Lebens aneinander.«
»Das werde ich nicht einfach so hinnehmen.«
»Wieso nicht? Du hast mich in den letzten zwölf Jahren nicht bemerkt.«
Dafür drängte er sich jetzt umso mehr in ihr Bewusstsein. Sie konnte das Mentale nicht mehr vom Körperlichen, die Vergangenheit nicht von der Gegenwart unterscheiden, aber zwischen ihnen bestand definitiv ein beunruhigendes Band. »Ich mag keine Spanner. Selbst wenn du meine Gedanken nicht lesen kannst, gefällt es mir gar nicht, wenn du weißt, was ich fühle. Meine Emotionen sind genauso privat wie meine Gedanken.«
»Ich bemühe mich, daran zu denken.« Er öffnete die Tür zum Restaurant. »Jetzt kannst du dein Französisch trainieren, indem du die Speisekarte liest und dem Kellner zuhörst, wenn er die Spezialität des Tages anpreist.«
Die Spezialität des Tages war ein vorzüglicher, typisch französisch zubereiteter Lachs.
»Ein Dessert?«, fragte Grady, als Megan den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte und sich zurücklehnte. »Harley würde das sicherlich gutheißen.« Er grinste. »Auch wenn du wahrscheinlich keinen Nachtisch mehr brauchst. Du hast reingehauen wie ein Fernfahrer.«
»Es war gut. Und ich hatte Hunger.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich möchte kein Dessert. Vielleicht einen Kaffee.«
Grady winkte den Kellner heran. »Café, s’il vous plaît.«
»Übrigens, ich konnte den Kellner verstehen«, sagte Megan. »Aber weshalb ist das so wichtig? Du sprichst fließend französisch. Du hast die Bestellung heruntergerasselt, als wärst du hier geboren und aufgewachsen.«
»Ich weiß nicht genau, wie Lauscher die Stimmen hören.«
»Was?« Sie hob die Brauen. »Es gibt etwas von diesem übersinnlichen Kram, was du nicht weißt?«
»Spar dir den Sarkasmus. Lauscher sind sehr selten. Selbst Michael Travis’ Leute wissen nicht viel über sie. Und«, fügte er hinzu, »es gibt jede Menge Dinge, die ich nicht weiß.«
»Zum Beispiel?«
»Wenn die Stimmen Französisch, Deutsch oder Italienisch sind, sind dann die Echos, die der Lauscher hört, auch in diesen Sprachen? Oder sind die Echos so etwas wie eine emotionale Übermittlung, die in die Sprache übersetzt ist, die der Lauscher versteht?«
»Lieber Himmel!« Sie runzelte die Stirn. »Soll ich diesen verdammten Stimmen jetzt nicht nur zuhören, sondern sie auch noch übersetzen?«
»Das werden wir wissen, wenn du versuchst, dir Zugang zu ihnen zu verschaffen.« Er schwieg, solange der Kellner den Kaffee servierte. »Wie auch immer, du musst es probieren.«
»Ich muss gar nichts. Es ist ganz
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