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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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weil du den Nimrod getötet hast. Sie glauben, dass der Geist des Nimrods dich beschützt und er ihren ganzen Stamm auslöschen würde, wenn sie dich einfach so umbringen.«
    »Und was haben sie dann vor?«
    »Sie werden versuchen, den Geist des Nimrods erst aus dir auszutreiben.«
    Das hörte sich nicht nach Spaß an. Sariel fand, dass er hier einiges klarzustellen hatte, wenn er den Tag überleben wollte. Als die drei Häuptlinge ihren Sermon beendet hatten und ihn finster anblickten, hielt er den richtigen Moment für eine Verteidigung gekommen und erhob sich mühsam. Die Beine schmerzten, aber sie trugen ihn. Sariel bewegte sich langsam, dennoch rückten die Wald-Ori um ihn herum sofort mit ihren Speeren näher und drohten, ihn aufzuspießen. Nur eine Handbewegung der Häuptlingsfrau, die hier offenbar das letzte Wort hatte, verhinderte, dass sie ihn auf der Stelle töteten. Sariel verneigte sich knapp, weil er fand, dass eine Respektsbezeugung vor Gericht nie verkehrt war.
    »Ich habe das Kind nicht getötet«, begann er seine kurze Verteidigungsrede. In klaren, einfachen Worten, um sicherzugehen, dass sie ihn auch verstanden, versuchte er, den Wald-Ori zu erklären, wer er war und woher er kam. Dass nicht er, sondern Mingan das Kind angeschossen hatte, und sein Shi verbrannt war. Er versuchte zu erklären, dass er erst lange nach Mingan den Wald betreten hatte.
    Er versuchte, sein Leben zu retten.
    Der Erfolg war nicht überwältigend. Die Wald-Ori ließen ihn seine Rede beenden, aber gleich darauf verkündete der zweite Häuptling das Urteil. Liya musste es Sariel noch nicht einmal übersetzen, so klar und eindeutig war es. Da die Wald-Ori wirklich glaubten, der Geist des Nimrods lebe noch in Sariels Körper und beschütze ihn, hatten sie beschlössen, den Geist des Nimrods zusammen mit Sariel zu töten. Da ein Nimrod aber gejagt werden musste, sollte Sa-riel allein im Wald ausgesetzt werden. Gleichzeitig würden die Wald-Ori auf ihn Jagd machen.
    »Das ist unsere Chance!«, raunte Liya. »Wir müssen nur Biao finden und dann fliehen wir!«
    Sariel sah das anders, denn im Gegensatz zu Liya konnte er den drei Häuptlingen in die Augen blicken und erkannte, dass sie nicht die Absicht hatten, ihm eine Chance zu geben. Die vermeintliche Jagd war nur ein Ritual, das ihn und den Geist des Nimrods in Sicherheit wiegen sollte. Der Vorsprung vor den Wald-Ori würde nicht reichen. Nicht in ihrem eigenen Wald.
    Langsam schüttelte Sariel den Kopf. »Ich will das Kind sehen.«
    »Waaaas? Bist du wahnsinnig?«
    Auch die Wald-Ori wirkten überrascht. Sariel nutzte den Moment und setzte alles auf eine Karte. »Ich habe das Kind nicht angeschossen, aber ich bin der Nimrod, und ich werde euren ganzen Stamm auslöschen, wenn ihr mich nicht zu dem Kind bringt.«
    »Wozu, zum Teufel?«
    »Nur so eine Idee«, erwiderte Sariel in Gedanken, »es ist der einzige Ausweg, der mir noch bleibt.«
    Er versuchte, dem harten, prüfenden Blick der Häuptlinge standzuhalten, während ihm vor Angst fast die Knie wegsackten, und wartete auf ihre Antwort. Die drei Weißgestreiften wechselten ein paar kurze Worte, dann gab der erste Häuptling ein paar scharfe Befehle und die bewaffneten Wald-Ori brachten Sariel zu einer Hütte am Rande der Lichtung. Vor der Hütte hockte eine verzweifelte Mutter, weinte und schrie. Als Sariel gebracht wurde, stieß sie verzweifelte Verwünschungen aus, sprang auf und versperrte den Eingang. Zwei Wald-Ori mussten die junge Mutter wegführen. Sie wehrte sich heftig, und Sariel entschuldigte sich leise, obwohl er ihrem Kind nichts getan hatte.
    Die Wald-Ori stießen ihn in die Hütte und die Häuptlingsfrau folgte ihm. Die Hütte sah genauso aus wie die, in der Sariel erwacht war. Ein kleines Feuer in der Mitte verpestete die Luft mit Qualm, da der Rauchabzug im Hüttendach zu klein war. Neben dem Feuer lag ein etwa zehnjähriger Junge, nackt und rot bemalt wie alle Wald-Ori. Er zitterte, schwitzte und keuchte heftig, und Sariel brauchte kein Arzt zu sein, um zu erkennen, dass der Junge hohes Fieber hatte. An seiner linken Schulter klaffte eine hässliche, geschwollene Schusswunde, rötlich entzündet und stark eiternd.
    Die Häuptlingsfrau hinter ihm redete auf Sariel ein und beschimpfte ihn als Kindermörder. Sariel kniete sich neben den Jungen und drehte ihn vorsichtig auf die Seite. Der Junge stöhnte und die Wald-Ori holten mit ihren Speeren aus. Sariel bekam es nicht mit. Er tat nur das, was er einmal bei

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