Pangea - Der achte Tag
kurz darauf einen faserigen Klumpen aus. Danach reichte er auch Sariel einen Teil.
»Nicht essen, nur aussaugen!«, erklärte Liya. »Diese Mondtränenart macht Bauchkrämpfe, wenn man sie isst, enthält aber viel Wasser.«
Sariel versuchte, es so zu machen wie Biao. Der Geschmack der schleimigen Mondtränenart war tatsächlich widerlich bitter, aber die Flüssigkeit, die sie enthielt, schmeckte frisch und wirkte belebend. Fast wie Nglirr.
Schlurfend und spuckend ritten sie weiter aufwärts. Die ganze Zeit über hielt Sariel die Machete fest und bewegte den Kopf wie eine Radarantenne von einer Seite zur anderen, um jede mögliche Gefahr sofort zu erkennen. Er machte sich jedoch wenig Hoffnung. Echte Waldbewohner waren an diese Umgebung angepasst und verstanden es vermutlich, sich zu tarnen. Außerdem war der Wald voller Bewegung und Geräusche. Myriaden von Insekten trudelten durch die Luft wie Blüten im April und wurden von pfeilschnellen Vögeln im Flug verspeist, die eher wie Fische aussahen. Sariel sah handtellergroße Insekten, die sich geräuschvoll zu viert an Baumstämme klebten und große Blätter imitierten, zur Tarnung oder um Beute anzulocken. Eines dieser Insekten streifte Sariel im Flug am Kopf und Sariel zuckte sofort weg. Liya warnte ihn, kein Tier zu berühren, da viele sich mit ätzenden Sekreten gegen Fressfeinde wehren konnten. Sariel hatte aber ohnehin nicht vor, auch nur irgendetwas hier zu berühren. Er war schon froh, wenn kein Tier auf die Idee kam, ihn zu berühren.
Allerdings sah Sariel nur wenige Tiere, hauptsächlich Schabenspießer und Flische, wie er die fliegenden Tiere taufte, die ihn an Fische erinnerten. Die Tausenden und Millionen von Insekten, die ihn umschwirrten, versuchte er lieber zu ignorieren. Am meisten aber überraschte Sariel der Anblick von Waldkalmaren. Sie waren viel kleiner als Königskalmare, etwa doppelt so groß wie ein ausgewachsener Krake aus seiner alten Zeit, und verfügten nicht über feste, beinartige Tentakel zum Gehen. Auf dem Boden kamen sie kaum voran. Dafür hangelten und schwangen sie sich umso geschickter von Ast zu Ast und konnten dabei auch mühelos große Strecken zurücklegen. Wie Affen, dachte Sariel unwillkürlich, denn sie bewegten sich nicht nur ganz ähnlich, sie schienen auch in großen Familienverbänden zusammenzuleben. Die Jüngsten tobten von Ast zu Ast und wurden von den Älteren hin und wieder mit einem raschen Tentakelgriff vor einem Sturz bewahrt oder wie reife Früchte aus dem Geäst gepflückt, wenn sie es zu toll trieben. Sariel konnte große Gruppen von Waldkalmaren ausmachen, die sich in breiten Baumkronen oder Astflächen dicht zusammendrängten und über ein eigenartiges System von Pfeiflauten verständigten. In jeder Gruppe gab es einen Kalmar, der größer war als die anderen und der offenbar die Anweisungen gab.
»Es ist immer eine Sie!«, korrigierte ihn Liya. »Nur ein Weibchen pro Clan ist fruchtbar und die hat das Sagen. Die Jungs sind nur...« Sie gluckste.
Die Kalmare zwitscherten fast wie Vögel und bewegten sich dabei mit einer grazilen Anmut, die Sariel schon bei den Königskalmaren überrascht hatte und die ihn erneut an Katzen erinnerte. Wie Katzen auf acht Pfoten.
Die Waldkalmare schienen von Biao und seinem Passagier wenig Notiz zu nehmen und zeigten kaum eine Reaktion, selbst wenn Biao dicht an einer Gruppe vorbeischritt. Dennoch schienen sie genau Bescheid zu wissen, denn von Gruppe zu Gruppe schallte Biao und Sariel immer ein bestimmter Pfiff voraus, den Biao mit einer raschen Abfolge von Gluckerlauten begleitete. Als würde er sie beide ankündigen und allgemein verbreiten, warum sie hier waren. Sariel konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dabei um mehr als Höflichkeit unter Kalmaren ging. Vermutlich verletzten sie mit jedem Meter, den sie zurücklegten, diverse Reviergrenzen und taten gut daran, die Waldkalmare nicht zu reizen. So friedlich sie im Augenblick noch wirkten, mochte Sariel sich nicht ausmalen, was passieren würde, wenn so ein großer Clan in Rage geriet und sich geschlossen auf ihn stürzte.
Aber nichts dergleichen geschah. Unbehelligt von Waldkalmaren oder Raubtieren setzten sie ihren gewundenen Weg fort und hatten nach vier Stunden die ersten tausend Höhenmeter von fünftausend geschafft, als die Falle zuschnappte.
Es ging so schnell, dass Sariel keine Möglichkeit zur Gegenwehr blieb. Die Wald-Ori hatten sich so gut versteckt, dass sogar Biao ihre Anwesenheit erst
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