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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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seiner Mutter beobachtet hatte, als sie einem verletzten Motorradfahrer am Straßenrand Erste Hilfe geleistet hatte. Und was er in den vielen Kursen gelernt hatte, auf die seine Mutter bestanden hatte.
    Sariel sah, dass der Eisdorn aus Mingans Shi glatt durch die Schulter gegangen war. Keine tödliche Verletzung, aber die beiden Wunden waren nicht versorgt worden und vermutlich würde der Junge ohne Behandlung sehr bald sterben.
    »Wie sieht es aus?«
    »Übel. Die Wunde hat sich entzündet. Er hat hohes Fieber und vermutlich Wundstarrkrampf. Er wird sterben, wenn sich niemand um ihn kümmert.«
    »>Kannst du ihn retten ?«
    Das genau war eben die Frage. Bislang hatte Sariel sich darüber noch keine Gedanken gemacht. Bislang hatte er einfach Zeit schinden wollen. Jetzt aber musste er Farbe bekennen. »Ich weiß nicht«, dachte er.
    »>Das gibt's jetzt nicht mehr!« Liyas Ton wurde scharf. »Kannst du oder kannst du nicht? Wir haben immer noch Yuanfens Kräuter.«
    Sariel sah sich die verletzte Schulter noch einmal an. Dann wandte er sich zu der Häuptlingsfrau um, die ihn schon etwas weniger feindselig anstarrte.
    »Ich kann den Jungen retten«, sagte er, obwohl er nicht davon überzeugt war. »Ich habe ihn nicht angeschossen, aber ich kann ihn retten.«
    »Du retten? Du Mörder! Du Feind! Warum retten?«
    »Ich bin der Sariel«, erklärte Sariel laut, denn er fand, dass dies kein guter Zeitpunkt für bescheidene Untertreibungen war. »Ich bin ein großer Magier. Ich habe den Nimrod getötet und ich kann diesen Jungen ins Leben zurückholen.«
    Seine Worte bereiteten ihm selbst Übelkeit, doch er hatte keine andere Wahl. Er würde sein eigenes Leben nur retten können, wenn er das des Jungen rettete.
    Zu Sariels Überraschung schienen die Häuptlingsfrau und die Wald-Ori ihm zu glauben. Oder der ganze Stamm sorgte sich so sehr um den Jungen, dass sie bereit waren, sich an die absurdeste Hoffnung zu klammern. In diesem Moment kamen Sariel die Wald-Ori schon viel weniger schrecklich vor. Sie waren auch nur Menschen, die versuchten, in einer feindlichen Umwelt zu überleben, und das Leben jedes Einzelnen genau so hoch schätzten wie er selbst. Nicht die Wald-Ori waren die Bestien - sondern Mingan.
    Sie brachten ihm, was er verlangte. Liyas Beutel mit den Heilkräutern, den kostbaren Kyrrschal, feste Pflanzenfasern, saubere Blätter und frisches Wasser. Die Wald-Ori ließen ihn sogar mit dem Jungen allein, allerdings umstellten sie die Hütte, um ihn auf der Stelle zu töten, falls er das Kind verhexte.
    Als Erstes löschte Sariel das qualmende Feuer und riss mit bloßen Händen den Rauchabzug etwas auf, damit frische Luft in die Hütte kam. Danach verteilte er die Kräuter auf dem Boden und ließ sich von Liya ihre Wirkung und Anwendung erklären. Liya wusste auch nur das, was Yuanfen ihr auf dem Ritt ins Gebirge beigebracht hatte. Sariel zweifelte, ob sie es wirklich schaffen konnten, aber er zögerte keine weitere Minute. Vorsichtig wusch er beide Schulterwunden des Jungen mit dem frischen Wasser aus und kaute nach Liyas Anweisungen einen Brei aus verschiedenen Kräutern in seinem Mund weich. Die Kräuter schmeckten ätzend, bitter und zum Teil nach Erbrochenem, aber Sariel unterdrückte den Würgereflex. Den grünbräunlichen Brei trug er vorsichtig auf die beiden Wunden auf. Dann versuchte er, aus Blättern und Pflanzenfasern einen festen und dichten Verband zu machen, was ihm erst beim dritten Versuch gelang.
    Der Junge vor ihm zitterte und schwitzte nach wie vor. Er war nicht bei Bewusstsein, rief nur immer wieder nach seiner Mutter und schien große Schmerzen zu haben. Da er offenbar fror, wickelte Sariel ihn in Liyas Kyrrschal ein. Dann zündete er ein neues Feuer an, sorgte diesmal jedoch dafür, dass es weniger qualmte. Die ganze Zeit über blieb Sariel vollkommen ruhig. Seine Hand zitterte kein einziges Mal, und er erledigte alle Handgriffe rasch und entschlossen, während Liya ihm ebenso ruhig und konzentriert sagte, was er als Nächstes tun musste. Sie arbeiteten zusammen, mit einem blinden Verständnis, als hätten sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes gemacht. Als der Junge schließlich eingewickelt vor ihm lag, blieb nur noch eines zu tun. Sariel trat kurz vor die Hütte und bat, dass man die Mutter des Jungen rufen möge. Die junge Frau wurde geholt und fürchtete sich offenbar vor dem fremden Magier, der unheimliche Dinge mit ihrem Sohn anstellte. Sariel versuchte, sie zu beruhigen, und bat sie, in

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