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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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fiel plötzlich in die Hütte. Erneut wurde Sariel von zahlreichen Händen gepackt und ins Freie geschleift. Nun erkannte Sariel schon mehr. Er befand sich offenbar auf einer gerodeten Lichtung im Wald, auf der sich etwa zwanzig niedrige Hütten aus Ästen und Blattwerk locker verteilten. Aber auch im Wald dahinter konnte Sariel die Umrisse von Hütten erkennen. Die Lichtung war voller Menschen. Wald-Ori. Sie waren kleiner als die Ori, die Sariel kannte, und vollständig nackt. Allerdings hatten sie ihre Körper von den Zehen bis zum Haaransatz mit einer rotbraunen Erdfarbe beschmiert. Die Wald-Ori zerrten ihn in die Mitte der Lichtung, die mit einem breiten Kranz aus dornigen Ästen eingezäunt war, der nur einen einzigen Ausgang besaß. Innerhalb des Dornenzauns warteten drei ältere Wald-Ori auf ihn. Zwei Männer und eine Frau, wie Sariel erkennen konnte. Wie alle Wald-Ori waren auch sie von Kopf bis Fuß mit Erdfarbe bemalt, allerdings zierten ihre Körper zusätzlich verschiedene weiße Streifen aus geschlämmter Kreide.
    Plötzlich stand ein junger Wald-Ori neben ihm und hielt Liyas Machete in der Hand. Sariel blieb das Herz fast stehen, als der Junge wie wild mit der scharfen Klinge vor ihm herumfuchtelte und dann mit einer einzigen schnellen Bewegung die faserigen Fesseln zerschnitt.
    Als das aufgestaute Blut nun ungehemmt in alle Extremitäten zurückfloss, stiegen ihm Tränen in die Augen vor Schmerz, verzweifelt kämpfte er gegen die Ohnmacht an. Da er nun nicht mehr gefesselt war, richteten die Wald-Ori lange Speere auf ihn, um ihn in Schach zu halten.
    Sie fürchten sich vor mir, erkannte Sariel. Aber warum?
    Die Erklärung folgte im nächsten Augenblick. Einer der beiden Männer vor ihm hielt die Säbelzähne des Nimrods in der offenen Hand und zeigte sie herum.
    »Du großer Jäger!«, begann er in dem seltsamen Mandarin des Waldes. »Du gefährlich. Aber ohne Zähne du keine Macht. Du nun Ding. Unser Ding.«
    Der Schmerz ließ langsam nach. Sariel hockte auf dem Boden der Lichtung und rieb sich die Gelenke, in die das Leben wieder zurückkehrte. Fragte sich nur, für wie lange. Die drei Häuptlinge, denn dafür hielt Sariel die weiß gestreiften Wald-Ori, blickten ihn abwartend an.
    »Du musst etwas sagen!«, hörte er Liyas Stimme.
    Sariel blickte sich um und stellte fest, dass er nichts mehr zu verlieren hatte. »Es sind meine Zähne«, hörte er sich sagen. »Ich habe den Nimrod getötet. Sie gehören mir. Gebt sie mir wieder.«
    »>Na prima!«, stöhnte Liya.
    Die Wald-Ori schwiegen einen Augenblick verwundert. Vielleicht sogar beeindruckt. Dann brachen sie in schallendes Gelächter aus. »Ding!«, brüllte ihn der zweite Häuptling an. »Du Ding! Ding! Ding! Ding!« Und der ganze Stamm der Wald-Ori skandierte plötzlich mit. »DING! ... DING! ... DING!« Der Ruf traf Sariel wie ein Schlag, fuhr ihm durch Mark und Bein und warf ihn beinahe um. »DING! ... DING! ... DING!«
    Mit einer Handbewegung brach die einzige Frau unter den drei Häuptlingen das Geschrei ab und kam nah an Sariel heran, ging in die Hocke, blickte ihm forschend in die Augen, und dann - schlug sie ihm unvermittelt mit dem Handrücken so fest ins Gesicht, dass er wie gefällt nach hinten umkippte. »Ding«, sagte sie rau. »Totes Ding.« Dann nahm sie ihren Platz neben den beiden anderen Häuptlingen wieder ein.
    Die drei setzten sich nun und begannen der Reihe nach, sehr schnell und aggressiv auf ihn einzureden. Eine Art dreistimmiger Monolog. Sariel verstand kaum ein Wort, doch er begriff immerhin, dass sie Gericht über ihn hielten.
    »Was wird mir vorgeworfen?«, fragte er Liya in Gedanken.
    »Ich kann es nicht genau verstehen, aber sie halten dich für einen Mörder.«
    Sariel stöhnte. »Nicht schon wieder!«
    »>Hör zu! Ein Kind ist mit einem Shi angeschossen worden und liegt im Sterben.«
    »Aber mein Shi ist verbrannt!«
    »>Es muss Mingan gewesen sein. Sie muss hier in der Nähe vorbeigekommen sein und war offenbar cleverer als wir, denn sie hat sich von den Wald-Ori nicht erwischen lassen. Allerdings hat sie aus irgendeinem Grund auf ein Kind geschossen, das abseits der Siedlung nach Früchten gesucht hat.«
    »Vielleicht hat das Kind um Hilfe geschrien, als es sie sah, und Mingan wollte verhindern, dass der gesamte Stamm sie verfolgt.«
    »Vermutlich. Aber sie haben Mingan nicht erwischt und halten dich für den Mörder.«
    »Warum haben sie mich dann nicht schon längst getötet?«
    »Sie fürchten sich vor dir,

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