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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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und wieder ausgestorben. Das Gesicht der Erde hat sich vollkommen gewandelt. Nichts erinnert mehr an die Zeit, die du kennst. Die Menschheit existiert nicht mehr.«
    »Wie bitte?«, fuhr Huan dazwischen.
    »Ausgelöscht«, sagte Lin-Ran sachlich. »Durch einen gewaltigen Kometeneinschlag im Jahre 3865 deiner Zeitrechnung. Wie übrigens neunzig Prozent allen Lebens auf der Erde.«
    »Und was ist dann mit Ihnen? Und mit mir?«
    »Wir sind wie du Fremde in einer fremden Welt«, erklärte Lin-Ran umständlich. »Wir gehören hier nicht hin, aber wir hatten keine Wahl.«
    »Sie meinen ... alle sind tot? Meine Eltern, meine Freunde - alle?«
    »Seit über zweihundert Millionen Jahren«, bestätigte der Graue. »Ich weiß, das ist jetzt schwer zu verstehen.«
    Huan merkte, wie plötzlich Tränen in ihm aufstiegen. »Das glaube ich nicht!«, keuchte er. »Sie erzählen mir doch totalen Scheiß!«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Weil Sie ein Psycho sind!«, schrie Huan. »Was weiß ich, warum Sie das hier mit mir machen! Ich will zurück! Ich will sofort nach Hause!«
    Lin-Ran schüttelte bedauernd den Kopf. »Das geht nicht, Sariel.«
    »Und nennen Sie mich nicht dauernd Sariel, verdammt! Ich heiße Huan! Huan Mahler!«
    »Du wirst dich an deinen neuen Namen gewöhnen. Aber vielleicht möchtest du jetzt lieber eine Weile alleine sein.« Der Graue erhob sich.
    »Nein, nein!«, rief Huan. »Bleiben Sie! Nicht gehen!«
    Die Vorstellung, allein in dieser Zelle zurückgelassen zu werden, wer weiß für wie lange, erschien ihm unerträglich. Und gefährlich. Solange der Graue bei ihm war, dachte Huan, war die Situation einigermaßen unter Kontrolle. Huan hatte einmal eine Fernsehsendung über das Verhalten bei Entführungen gesehen. Deeskalation und Ruhe waren alles. Im Gespräch bleiben. Informationen sammeln. Berechenbar sein. Vertrauen schaffen.
    Huan zwang sich zur Ruhe und würgte die Panik hinunter, die ihm fast die Luft abschnitt. Lin-Ran setzte sich langsam wieder hin.
    »Geht es wieder?«
    »Hm«, log Huan und atmete einmal durch. Ruhe bewahren. Informationen sammeln. »Und nur Sie haben überlebt? Ich meine, Sie und Ihre Sari?«
    Lin-Ran nickte. »Wir haben uns rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Der Komet war lange bekannt. Im Jahre 2024 wurde er zum ersten Mal gesichtet, bekam den Namen Varell-Xieu nach seinen beiden Entdeckern, wurde in den Sternkarten verzeichnet und wieder vergessen. Die Welt hatte drängendere Probleme als einen schmutzigen Eisbrocken, der auf einer exakten Parabelbahn durchs All raste. Dabei war seine schiere Größe schon beeindruckend: halb so groß wie Australien. Ein Monstrum. 2146 wurde der Komet erneut gesichtet. Diesmal erkannte man, dass Varell-Xieu auf einer neuen Bahn flog. Der Grund dafür war rätselhaft, denn Kometen fliegen auf mathematisch exakten Bahnen, und Zusammenstöße sind in der Leere des Alls etwa so wahrscheinlich wie ...«
    »... das, was gerade hier abläuft«, sagte Huan bitter.
    Lin-Ran ignorierte den Einwurf. »Die Berechnungen ergaben, dass der Komet auf seiner neuen Bahn im Jahr 3865 der Erde nahe kommen würde. Die Frage war nur, wie nahe. Die Berechnungen ergaben irgendwas zwischen Volltreffer und einer halben Million Kilometer. Die Ungenauigkeit lag nicht an den damaligen Messverfahren, sondern an einer seltsamen Schlingerbewegung von Varell-Xieu, die man nie zuvor bei einem Kometen angetroffen hatte und die sich als physikalisches Paradoxon herausstellte. Man konnte sie zwar beobachten, aber nicht berechnen. Und nach den Gesetzen der Physik hätte es sie gar nicht geben dürfen.«
    Lin-Ran machte eine Pause. »Bin ich zu schnell?«
    »Ich komm schon mit.«
    »Möchtest du noch mehr Nglirr?«
    »Was?«
    »Noch so ein Getränk.«
    »Nein danke.«
    »Gut.« Lin-Ran sammelte sich, leckte sich einmal die trockenen Lippen und fuhr dann fort. »Dieses physikalische Paradoxon spaltete die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten in zwei Lager. Die einen hielten das Phänomen für ein Zeichen Gottes und waren überzeugt, dass der Komet die Erde treffen würde. Der weitaus größte Teil der Menschheit aber glaubte, dass man dann eben die Gesetze der Physik neu schreiben und etwas finden müsse, um die Laufbahn des Kometen entweder genauer zu berechnen oder ihn abzuwehren. Panik brach nicht aus, denn bis zu dem möglichen Einschlag war ja noch viel Zeit, und der Mensch hatte auch damals noch nicht die Fähigkeit entwickelt, über sein eigenes Leben hinaus zu planen. Ich

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