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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Moment trafen sich ihre Blicke, und Liya erkannte das Entsetzen und die Traurigkeit in seinem Blick, denn auch ihr Vater begriff sofort, was los war.
    Dass Liya erblinden würde. Falls sie es überhaupt überlebte.
    Die Magnesiumkegel detonierten mitten im Schwarm der Feuerspucker. Liya konnte ihre furchtbaren, heiseren Schreie hören. Gleichzeitig riss sie sich instinktiv den Kyrrschal vom Körper und wickelte ihn sich fest um den Kopf. Ungeschützt traf die Wüstenhitze sie jetzt wie ein Keulenschlag, doch das zählte nicht. Liya beugte sich noch schützend über ihren Bruder - dann brach die Hölle los.
    Eine Feuerblase breitete sich explosionsartig über Liya aus. Als ob die Sonne auf die Erde stürzte. Liya sah nur noch Weiß. Grelles, hässliches, beißendes Weiß. Brennendes Magnesium regnete auf sie herab, die verbrennenden Feuerspucker stürzten tonnenschwer vom Himmel, verkohlten noch in der Luft und prasselten als stinkender, heißer Ascheregen auf die Schutzplane nieder.
    Liyas Augen brannten. Sie schrie sich den Schmerz aus dem Leib. Alle schrien. Ihr Kalmar, Lou, die Männer ringsum. Die Feuerblase blähte sich zu ihrer vollen Größe auf, berührte fast die Plane, bevor sie schließlich kollabierte und nur noch den Mittagsdunst zurückließ und den Geruch nach glühendem Metall und verbranntem Fleisch. Es hatte nur Sekunden gedauert. Schlagartig war alles schon wieder vorbei. Für einen Moment Stille. Nur das Stöhnen der Männer und Frauen war zu hören, die von Säurespritzern getroffen worden waren. Liya merkte als Erstes, dass Lou wieder schrie, und lockerte ihren Griff, mit dem sie ihn schmerzhaft fest an sich gepresst hatte. Immer noch sah sie nichts, hielt den Kyrrschal weiter um den Kopf gewickelt. Das Nächste, was sie wahrnahm, war, dass ihr jemand eine Thermodecke gegen die Hitze umwarf. Sie hörte eine Stimme. Ihr Vater. Dann spürte sie, wie ihr Kalmar sich beruhigte, und wusste, dass die Karawane den Angriff der Feuerspucker erfolgreich abgewehrt hatte. Immer noch hielt Liya die Augen geschlossen. Sie brannten nach wie vor und das konnte nur eines bedeuten - sie war blind!
    Liya strich Lou über das dichte Haar. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie weich es sich anfühlte, und sie wünschte sich, es noch einmal sehen zu können.
    »Liya!« Die Stimme ihres Vaters. »Nimm den Schal ab.«
    »Nein.«
    Ihr Vater wickelte ihr vorsichtig den Schal vom Kopf. »Öffne die Augen!«
    Liya schüttelte den Kopf. »Ich hab Angst«, keuchte sie.
    »Du bist nicht blind.«
    »Und wenn doch?«
    »Öffne die Augen!«
    Liya spürte eine beruhigende, warme Welle von ihrem Kalmar und gehorchte. Atmete einmal durch und öffnete blinzelnd die Augen. Unscharf erkannte sie die weichen, gewellten Haare ihres Bruders vor sich. Er hatte rot verheulte Augen, der Rotz lief ihm in Strömen aus der Nase - aber er lachte sie fröhlich an und deutete in den Himmel.
    »Da!«
    Durch die transparente Plane, die jetzt mit Asche, Schlick und verbrannten Feuerspuckerresten verschmiert war, konnte Liya einige Feuerspucker erkennen, die dem Inferno entkommen waren und nun fern am Himmel davonflogen. Sie flohen. Die Frage war jedoch nicht, ob, sondern wann sie zurückkommen würden. Aber das zählte im Moment nicht für Liya. Sie konnte sehen! Sie hatte im entscheidenden Moment das Richtige getan und dadurch ihr Augenlicht gerettet. Vor unbändiger Freude musste sie grinsen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ihr Vater.
    Liya nickte. »Danke noch mal für den Kyrrschal, Papa.«
    Ihr Vater lächelte sie an. »Gut reagiert«, lobte er und wandte sich dann um. Sie konnten nicht noch länger in der Mittagshitze lagern. Sie mussten dringend weiter zur Oase, wenn sie es vor Einbruch der Dunkelheit und vor der Rückkehr der Feuerspucker schaffen wollten.
    »Wo ist Mama?«, rief Liya und sah sich nach ihrer Mutter um.
    Ihr Vater wandte den Blick und suchte seine Frau. Ihr Vater war immer die Ruhe selbst, doch sobald er auch nur für Momente nicht wusste, wo sich seine Frau befand, brach diese eiserne Selbstdisziplin zusammen und er wurde schlagartig nervös. Wie jetzt. Unruhig richtete er sich auf seinem Kalmar auf und rief sie.
    »Yin!« Keine Antwort.
    »YIN!!!« Er brüllte jetzt. Seine Stimme, aufgeladen mit Angst und Sorge, gewitterte über die Karawane hinweg und weiter in die Wüste, wo sie in der Hitze verdunstete.
    Wieder rief er seine Frau. Die nicht antwortete. Nie mehr.
    Sie fanden sie am Rand des Schutzkreises. Sie lag neben ihrem

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