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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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ihrem Kalmar einen Klaps und ritt dann zu ihrer Position zurück.
    Dieser Moment blieb Liya für immer in Erinnerung. Dieser Blick. Dieses Lachen. Dieser Klaps.
    Es war das Letzte, was sie von ihrer Mutter sah.
    Biao blieb plötzlich stehen, als scheute er vor etwas. Er machte nervöse Bewegungen mit seinen vorderen Fangtentakeln und fauchte giftig. Liya spürte sofort, dass er alarmiert war, und dachte erst, er wolle einen Schwarm von Kratzkäfern abwehren. Im nächsten Augenblick flog ein großer Schatten über sie hinweg und Liya wusste Bescheid. Sie musste nicht einmal mehr in den Himmel blicken. Instinktiv zog sie den kleinen Lou, der im gleichen Augenblick aufgehört hatte zu brüllen, fest an sich heran. Sie hörte bereits die Rufe um sich herum und spürte jetzt deutlich die Aufregung ihres Kalmars, auf dessen Haut sich schwarze Flecken zeigten. Kalmare wurden niemals panisch. Aber wenn sie schwarze Flecken bekamen, dann gab es einen guten Grund dafür.
    Wie die Feuerspucker.
    Liya wagte nun einen Blick in den Himmel und sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Ein großer Schwarm Feuerspucker kreiste über ihnen. Der größte, den Liya je gesehen hatte.
    Die großen Raubvögel mit Spannweiten bis zu acht Metern waren vor siebzig Millionen Jahren ausgestorben und dann dreißig Millionen Jahre später als Mutation wieder aufgetaucht. Sie waren große Verwandte des bunten, flinken Schabenspießers, der nur in den kältesten Gebirgsregionen anzutreffen war. Feuerspucker hingegen umkreisten den wüstenhaften Rand des Gebirges, wagten sich aber auch weit in die Wüste hinein. Die Vögel mit den vier Schwingen ernährten sich von allem, was sich bewegte. Auch Menschen. Sie jagten ausschließlich in Schwärmen und scheuten sich auch nicht, Kalmare anzugreifen. Ihren Namen verdankten sie der hochkonzentrierten Säure, die sie beim Angriff verspritzten und die einen Menschen in Sekundenschnelle töten konnte. Bei Königskalmaren reichte es immerhin zu schlimmen Verätzungen.
    Wie jedes Kind der Ori hatte Liya von klein auf gelernt, dass es nur ein Mittel gegen Feuerspucker gab: Feuer!
    Liyas Vater hatte bereits reagiert und die Karawane zum Halten gebracht. Mit knappen, scharfen Kommandos trieb er die Menschen zu einem dichten Pulk zusammen. Jetzt bewunderte Liya seine Disziplin und stoische Ruhe, die sie am Morgen noch rasend gemacht hatte. Liya suchte ihre Mutter in dem Getümmel, konnte sie aber nicht mehr entdecken.
    Die Männer auf den Lastkalmaren sprangen in den Sand und schossen mit ihren Shis blaue Kugeln in die Luft, die meterhoch über der Karawane zerplatzten und sich zu einem feinen Gewebe verfilzten, das wie ein großer Fallschirm aussah. Die einzelnen Gewebe verbanden sich und bildeten blitzartig einen zähen Schutzschild, der langsam auf die Karawane herabsank.
    Liya sah, wie ihre beiden Brüder nach dem Gewebe griffen. Hundertmal geübte Handgriffe, rasch und ohne Panik. Auch Liya griff nun nach dem schützenden Gewebe und zog es straff über sich. Mit der Rechten hielt sie dabei immer noch den kleinen Lou. Schon hatte sich die Karawane auf diese Weise in einen dichten, säurebeständigen Schutzmantel gehüllt. Die Männer luden die Shis neu, diesmal mit gelben Magnesiumkegeln, und Liya wusste, dass in wenigen Augenblicken die Hölle losbrechen würde. Hastig öffnete sie eine ihrer Satteltaschen und griff nach ihrer Schutzbrille. Erst in diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie nur eine hatte. Ihre Mutter hatte ihr den kleinen Bruder übergeben, jedoch vergessen, ihr auch seine Tasche zu reichen.
    »Verdammt!«, fluchte Liya und schaute sich um. Niemand hatte eine Schutzbrille übrig. Natürlich nicht. Jeder Ori war für seine Ausrüstung selbst verantwortlich. Ersatz gab es irgendwo bei einem der Lastkalmare, aber in dem augenblicklichen Gedränge würde sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Ihr musste etwas einfallen, und zwar schnell. Liya hörte bereits das Ploppen und Zischen der Shis und wusste, dass sich die Magnesiumkegel in den nächsten Augenblicken in der Luft entzünden und den Himmel in Brand setzen würden. Wenn sie Glück hatten, würde dieses kurze Höllenfeuer reichen, um sämtliche Feuerspucker in der Luft zu verbrennen. Doch das gleißende Licht stellte auch für die Ori eine Gefahr dar: Ohne Schutzbrille führte es zu Verbrennungen der Augen und damit zur völligen Erblindung.
    Hastig legte Liya Lou die Schutzbrille an und drehte sich zu ihrem Vater um. Für einen

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