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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Kalmar, der schwere Ätzwunden an einer Flanke trug. Zwei Tentakel waren von der Säure der Feuerspucker verstümmelt. Der Kalmar gab jedoch keinen Laut des Schmerzes von sich. Seine leisen, gluckernden Geräusche waren Ausdruck tiefer Trauer.
    Was von Liyas Mutter übrig geblieben war, erinnerte kaum noch an die schöne Frau des Karawanenführers. Eine Masse aus blutigem, verätztem Fleisch vermischt mit Stoffresten. Der säurebeständige Schmuck im blutgetränkten Sand erst ließ es zur schrecklichen Gewissheit werden. Der Feuerspucker musste sie voll erwischt haben, als sie versucht hatte, unter die schützende Plane zu kommen. Sie war spät dran gewesen, da sie wenige Augenblicke zuvor ihren Platz in der Karawane verlassen hatte, um Liya den kleinen Lou zu übergeben. Im Getümmel und in der Eile der Schutzmaßnahmen hatte niemand ihren Tod bemerkt. Liya eilte zu der Stelle, doch Leisi fing sie ab, wirbelte sie herum und hielt sie fest. Liya sah nur noch, wie ihr Vater zu der Stelle kam, im Sand zusammensackte und einen Schrei ausstieß. Einen Schrei, den Liya nie vergessen würde. Aller Schmerz der Welt lag darin, die Wüste erzitterte unter diesem Schrei und die Kalmare stimmten mit dumpfem Stöhnen ein.
    Im ersten Moment empfand Liya nichts, dachte nichts, bekam kaum mit, was um sie herum passierte. Dann aber füllte ein Gedanke sie aus, eine Erkenntnis, schwer und erschütternd: Ich bin schuld. Ich bin schuld am Tod meiner Mutter.
    Einer jener Gedanken, die ihre eigene Wahrheit mitbringen. Die sich selbst Platz schaffen und einnisten im Herzen. Um es zu vergiften.
    Liya dachte daran, dass sie durch ihre Träumereien aus der Reihe ausgeschert war. Ihre Mutter war gekommen und hatte sie zurückgeführt, bevor ihr Vater es bemerkt hatte. Ihre Mutter hatte ihr Lou übergeben. Ihre Mutter hatte selbst ihren Platz in der Karawane verlassen und das war ihr zum Verhängnis geworden.
    Ich bin schuld. Nur dieser eine Gedanke.
    Was danach geschah, bekam Liya kaum noch mit. Wie sie die Überreste ihrer Mutter behutsam in einen Kyrrschal wickelten, um sie später in der Oase zu bestatten. Wie ihr Vater die Menschen zum Weiterziehen antrieb. Wie irgendwann in der Dämmerung dieses furchtbaren Tages die Umrisse von Ori-Nho-Yuri am Horizont auftauchten, die ersten gedrungenen Würfel der Lehmhäuser mit ihren Antennenfühlern. Liya bekam nicht mit, wie die Karawane in Ori-Nho-Yuri eintraf, wo sie bereits sehnsüchtig erwartet wurde. Liya bekam auch nicht mit, wie die Freude der Bewohner in Bestürzung und Trauer umschlug, als sie es erfuhren.
    Ich bin schuld.
    Dieser Zustand hielt mehrere Tage an. Liyas Mutter wurde feierlich beigesetzt. Liyas Vater hatte seine Ruhe verloren, weinte jetzt oft. Auch die Brüder weinten viel. Liya seltsamerweise nicht.
    Ich bin schuld.
     

Zwei Völker
    Wenn es ein Traum war, dann fühlte er sich entsetzlich echt an. Doch falls es kein Traum war, dann waren die Tatsachen ganz und gar beängstigend und völlig wahnsinnig.
    Die Tatsachen.
    Der Arzt war gekommen und hatte Lin-Ran gewarnt, Huan nicht zu sehr zu belasten. Also hatte sich Lin-Ran zurückgezogen und Huan mit seinen Gedanken und Ängsten allein gelassen. Zum Glück machte ihn das Getränk irgendwann müde und Huan war in einen langen, traumlosen Schlaf gefallen.
    Als er erwachte, saß Lin-Ran bereits wieder geduldig an seinem Bett.
    »Sitzen Sie da schon lange?« Huan fühlte sich zwar nicht weniger ängstlich, aber immerhin sofort erfrischt und wach.
    »Schon eine Weile, aber das macht nichts. Die Hauptsache ist doch, dass wir dich gefunden haben.«
    »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Fast einen ganzen Tag. Das ist gut. Du musst dich erholen. Und du musst lernen. Viel lernen.«
    Huan verstand nicht recht, was Schlafen mit Lernen zu tun haben sollte, doch das war nicht die drängendste Frage im Augenblick. Er setzte sich auf, blickte Lin-Ran misstrauisch an, und Lin-Ran kam ihm ohne Umschweife wieder mit Tatsachen.
    Tatsachen.
    »Du befindest dich also immer noch auf der Erde - allerdings zweihundert Millionen Jahre nach deiner Zeit. Ich weiß, das ist schier unvorstellbar, aber es ist eine Tatsache, die du akzeptieren musst. Die Kontinente haben sich verschoben und sind zu einem einzigen gewaltigen Kontinent verschmolzen, wie schon einmal in der Geschichte der Erde. Pangea II. Die Erde hat mehrere Eiszeiten und Warmzeiten erlebt, zwei Kometeneinschläge und zahllose Naturkatastrophen. Neue Tier- und Pflanzenarten sind entstanden

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