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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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will, dann hast du seinen Kalmar sofort vorzubereiten, egal zu welcher Zeit. Alles, was du brauchst, findest du im Anbau. Falls du deine Pflichten versäumst, wirst du bestraft. Hast du das verstanden?«
    Noch ein Wort und ich zeige dir, dass vor allem meine Faust verstanden hat!
    »Ja«, quetschte Liya hervor. Die Wut schnürte ihr die Kehle zu.
    Damit schien für die beiden Zhan Shi der Auftrag erledigt zu sein. Der Mistkerl nickte einmal kurz, dann wandten sich die beiden um und ließen Liya allein zurück.
    Allein mit den Kalmaren.
    Allein mit ihrem neuen Leben als Stallmädchen.
    Zur Wut kam jetzt noch die Verzweiflung über die unwiderrufliche Entscheidung des Ersten Versorgers, die Liya wie eine lebenslange Verurteilung empfand, während ihre Brüder Zhan Shi werden durften.
    »Ich bin besser als ihr alle zusammen!«, brüllte Liya in das Dunkel, doch niemand hörte sie. Nicht einmal die ruhenden Kalmare schienen von ihr Notiz zu nehmen. »Ich bin eine Kämpferin!!!«
    Liya trat ins Wasser, schlug um sich. Ihr Vater hatte sie ausgetrickst, einfach ausgetrickst. Hatte geahnt, dass sie sich von der Familie lossagen und ihren eigenen Weg gehen würde. Und sie war völlig naiv in die Falle gelaufen. »Verdammt!!! Verdammt, verdammt, verdammt!!!«
    Als Stallmädchen war sie praktisch in der Festung der Zhan Shi gefangen und stand unter Aufsicht der Kaste. Sie gehörte dazu und doch wieder nicht. »Du mieser Verräter!!!« Und alles nur, weil sie ein Mädchen war!
    Keuchend hielt sie inne. Tränen rannen ihr über die Wangen, aber diesmal versuchte sie nicht mehr, sich zu beherrschen. Außer den Kalmaren war ohnehin niemand da, der sie sehen konnte. Oder je wiedersehen würde.
    Finster blickte sie über die glänzenden Leiber der Kalmare und beschloss, dass die Kalmare schuld an ihrem Schicksal waren und sie die Tiere dafür zukünftig hassen würde.
    Um sich im nächsten Augenblick klarzumachen, wie absurd das war. Sie konnte Kalmare nicht hassen. Sie konnte sie noch nicht einmal nicht mögen.
    »Ach, verdammt!«, stöhnte Liya, zog die Nase hoch und trat in das Halbdunkel ein, um ihre neuen Schützlinge näher kennenzulernen.
    Ein Kalmar allein war schon groß, fünfzig an einem Ort waren atemberaubend. Obwohl der Stall groß und hoch genug war, verbreiteten die massigen Leiber eine tropische Wärme und eine fast erdrückende Präsenz. Sie schienen zu schlafen, aber Liya wusste, dass der Eindruck täuschen konnte. Man wusste nie genau, ob ein Kalmar wirklich schlief. Ob er überhaupt je schlief. Manchmal sah es aus, als dösten sie nur, ganz in ihre rätselhaften Kalmargedanken vertieft. Manchmal lagen sie genau so in Lauerstellung beim Jagen. Blitzschnell konnte ein scheinbar schlafender Kalmar einen Tentakel hervorschnellen lassen und seine unvorsichtige Beute packen. Liya wusste, dass Kalmare niemals Ori angriffen, aber sie wusste auch, dass gerade junge Kalmare sich gelegentlich erschreckten oder irrten. Man passte also besser auf. Die Wucht eines Tentakelschlags reichte, um einen Menschen in Stücke zu zerteilen.
    Vorsichtig watete Liya zwischen den Kalmaren hindurch im knöcheltiefen Wasser, das streng nach deren Ausscheidungen roch. Die Kalmare waren jung und noch nicht ausgewachsen. Es waren alles Bullen. Das machte die Aufgabe nicht eben leichter.
    Die jungen Kalmarbullen reagierten nicht auf ihre Anwesenheit, aber Liya wusste, dass sie sie längst wahrgenommen hatten. Sie merkte es an den leichten Verfärbungen ihrer Haut, die sich wellenartig von einem Kalmar zum anderen fortpflanzten. Einige der Kolosse bewegten sanft ihre Tentakel wie zum Takt einer unhörbaren Musik.
    Der Musik des Hungers.
    Liya musste nicht lange überlegen, was mit den Kalmaren los war. Noch verhielten sie sich relativ ruhig, aber hungrige Kalmare konnten sehr ungemütlich werden. In einer Ecke des Stalls entdeckte Liya einen riesigen wabernden Berg aus einer stinkenden dunkelbraunen Masse. Wie ein weiteres Lebewesen, das sich hier hereingeschlichen hatte. Dabei handelte es sich um Tausende von Lebewesen. Ein ganzer Berg fleischiger Hornschnecken, nahrhaft, vitaminreich und lecker.
    Wenn man ein Kalmar war.
    Liya hatte noch nie so viele Hornschnecken auf einem Haufen gesehen. Die wellenartige Bewegung der Tentakel verstärkte sich, als kräuselte eine Böe ein fleischiges Meer. Es wurde Zeit, die Kalmare zu füttern, bevor sie erwachten und sich selbst bedienten.
    Liya baute sich vor dem gewaltigen Schneckenberg auf, stieß einen

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