Pangea - Der achte Tag
aufzusehen. »Schließ die Tür!«
Liya verstand nichts mehr. Weder, wer der Mann war, noch, was sie hier sollte. Verwirrt gehorchte sie einfach und schloss die Tür. Jetzt hob der Mann den Kopf. Im Gegensatz zu seiner schwammigen Erscheinung war sein Blick klar und durchdringend. Als starre er geradewegs in ihre Seele. Liya fühlte sich mit einem Mal sehr unbehaglich.
»Ich bin Hakuna. Der Erste Versorger.«
In diesem Moment wurde Liya klar, wo sie war, und dass die beiden Zhan Shi sie nicht angelogen hatten. Der Erste Versorger hatte den Rang eines Großmeisters und stand direkt unter dem Gon Shi, dem obersten Zhan Shi. Der Erste Versorger war für die Kalmare zuständig, er hatte die Aufsicht über die Stallungen, organisierte die Ernährung der Kalmare, überwachte ihre Gesundheit und sorgte mit einer ganzen Schar von Gehilfen dafür, dass sich die Kalmare wohlfühlten und vermehrten. Der Erste Versorger war ein wichtiger und mächtiger Mann bei den Zhan Shi.
Hakuna wirkte belustigt. »Liya, Tochter von Chuang Shi. Was hast du denn gedacht, wo man dich hinbringt?«
Liya wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie stammelte etwas davon, dass sie die beiden Zhan Shi nicht genau verstanden hatte und alles sei so wahnsinnig schnell gegangen. Aber Hakuna schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
»Du willst eine Kriegerin werden«, sagte er, und sein Tonfall war so kalt und schneidend wie sein Blick. »Aber dir fehlt die wichtigste Eigenschaft eines Zhan Shi. Disziplin. Du bist unbeherrscht und stur.«
Liya schluckte. »Es tut mir leid«, hörte sie sich sagen. »Ich werde mir Mühe geben. Ich werde Disziplin lernen.«
»Das sagt dein Mund. Dein Herz und deine Augen sagen etwas anderes.«
»Ich bin eine gute Kämpferin.«
»Du hast noch nicht einmal eine Ahnung, was das bedeutet!«
Liya wollte noch etwas sagen, aber alle Worte vertrockneten ihr plötzlich im Mund. »Warum bin ich hier?«, brachte sie nur noch mühsam heraus.
»Ah! Der erste vernünftige Satz!« Hakuna lehnte sich zurück. »Weil wir eine Aufgabe für dich haben, die deinen Fähigkeiten eher entspricht.«
Er machte eine Handbewegung und erklärte die Unterhaltung damit für beendet. Liya wusste, dass sie sich nun zu entfernen hatte. Stattdessen blieb sie stehen, wo sie war. Sie war es nicht gewohnt, sich so einfach fortschicken zu lassen, sie war die Tochter von Chuang Shi.
Hakuna blickte sie missbilligend an. »Disziplin!«, zischte er fast unhörbar. Liya verstand und machte, dass sie hinauskam.
Draußen warteten immer noch die beiden Krieger. Schon wieder lag ein spöttischer Ausdruck auf dem schönen Gesicht des Mistkerls, und Liya begann, sich zu wünschen, es ihm eines Tages heimzahlen zu können.
»Na, los!«, blaffte sie ihn an. »Bringt mich zu meiner Aufgabe!«
Der Weg war nicht weit. Die Ställe lagen gleich hinter dem Trakt des Ersten Versorgers. Die Ställe.
»Was soll das denn?«, rief Liya entgeistert, als der Mistkerl das große Schiebetor öffnete und sie in einen von zwölf großen Ställen führte. Im Halbdunkel sah sie die massigen Leiber von annähernd fünfzig Königskalmaren, die dicht aneinandergedrängt auf dem Boden in knöcheltiefem Wasser lagen und unruhig schnauften und schmatzten.
Sie sind hungrig, war Liyas erster Gedanke. Und sie sind durch irgendwas beunruhigt.
»Deine neue Aufgabe«, erklärte der Mistkerl.
»Wie bitte???«, schrie Liya. »Ich bin eine Kriegerin, kein Stallmädchen!«
Der Mistkerl und sein jüngerer Begleiter grinsten jetzt sogar. »Es ist eine Ehre«, feixte der Jüngere.
Liya kochte vor Wut. Sie liebte Kalmare, sie hatte ein besonderes Verhältnis zu ihnen, sie betrachtete sie sogar fast als Seelenverwandte. Aber das bedeutete nicht, dass sie sich ein Leben als Stallmädchen vorstellen konnte!
»Das ist eine Prüfung, nicht wahr?«, sagte sie mühsam beherrscht. »Ich miste eine Weile hier aus, und wenn ich brav bin und schön die Klappe halte, werde ich zur Kriegerausbildung zugelassen.«
Der Mistkerl zuckte mit den Schultern. »Die Entscheidungen der Großmeister sind immer endgültig.«
Liya stöhnte. »Verdammt! Das ist nicht fair!« Sie fühlte sich gedemütigt und verraten. Natürlich konnte nur der Einfluss ihres Vaters hinter dieser Entscheidung stecken und das würde sie ihm niemals verzeihen.
»Du bist ab jetzt für diesen Stall verantwortlich«, fuhr der Mistkerl fort. »Du hast sie zu füttern und sauber zu halten, und wenn ein Krieger ausreiten
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