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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Sandspringer herunter und ritt wieder los.
    Der jüngere Zhan Shi half Liya auf. »Ich hab's ja gesagt.«
    »Lass mich!«, schnauzte Liya ihn an und schüttelte seine Hand ab. Für einen Moment kam es ihr vor, als lachte ihr kleiner Sandspringer sie aus. Wortlos schwang sie sich wieder auf das Tier und folgte ihren beiden Aufpassern in gemächlicheren Hüpfern. Sie dachte plötzlich an den Sariel und fragte sich, ob die Zeit gekommen war.
    Es konnten Jahrzehnte vergehen, bis ein neuer Sariel auftauchte, und es forderte hohe Disziplin von den Zhan Shi, all die Entbehrungen auf sich zu nehmen, das harte tägliche Training, um zeitlebens vielleicht doch nie zum Einsatz zu kommen. Den letzten Sariel hatte ihr Vater vor ihrer Geburt getötet, das hatte ihn zur lebenden Legende gemacht. Bislang kannte Liya den Sariel nur als sandgefüllte Puppe, die bei traditionellen Festen symbolisch geköpft, erstochen oder erschlagen wurde. Aber die Ori durften nicht nachlässig werden. Jederzeit konnte ein neuer Sariel erscheinen, deshalb mussten die Zhan Shi allzeit einsatzbereit sein. Und die ungewöhnliche Vorladung und Liyas Träume in der letzten Zeit ließen nur einen Schluss zu: Der neue Sariel war gekommen! Alles andere ergab keinen Sinn. Sie hatten sich beraten, die Großmeister und ihr Vater, und dann eingesehen, dass sie Liya die Aufnahme in die Kaste einfach nicht verweigern konnten.
    Ich bin die Beste und sie wissen es!
    In dem Hochgefühl, in Kürze selbst zur lebenden Legende zu werden, ritt sie auf die Tore des Guoli-Palastes zu, des Hauptsitzes der Zhan Shi. Das gedrungene, unscheinbare Gebäude war von einer hohen Mauer umgeben und hatte nur ein Tor, das von zwei lebensgroßen Kalmarskulpturen aus Sandstein flankiert wurde. Sandspringer waren verboten im Palast, da sie die Kalmare nervös machten. Liya und die beiden Zhan Shi stiegen ab, und Liya spürte ihr Herz klopfen, als sie das hohe Tor durchschritt.
    Das Tor in mein neues Leben.
    Sie versuchte, so viel wie möglich von der Palastanlage zu sehen, während sie sich bemühte, mit ihren Begleitern Schritt zu halten, die stramm vorauseilten. Liya sah nicht viel. Rings um den zentralen Palast gruppierten sich kleinere Gebäude.
    Wohntrakte, vermutete Liya. Sie sah Gruppen von Zhan Shi beim gemeinsamen Training, aber nichts deutete darauf hin, dass sich die Kriegerkaste im Alarmzustand befand. Das enttäuschte Liya ein bisschen, wie die Tatsache, dass ihre Ankunft hier niemanden zu interessieren schien.
    Anders als erwartet, führten die beiden Zhan Shi sie auch nicht zum Großmeister. Liya merkte es daran, dass sie nicht geradewegs in das Zentrum des Palastes gingen, sondern in den Außenbereichen blieben. Die Gänge und Hallen, die sie durchquerten, waren schmucklos und lehmig. Liya hatte mehr Pracht erwartet, mystische Wandbilder, die die Legenden der Zhan Shi erzählten, überhaupt irgendeine Form von Dekoration. Zumindest Erhabenheit. Stattdessen sah es aus wie in einer größeren Karawanserei. Der einzige Schmuck waren Statuen von Kalmaren in einigen Ecken. Der Kalmar war eine Art Totem der Zhan Shi, ihr Schutz- und Wappentier, und man sagte den Kriegern eine ganz besondere geistige Beziehung zu den Kopffüßlern nach.
    Es roch auch nach Kalmar, fiel Liya nun auf. Je weiter sie in den Palast vordrangen, desto intensiver wurde der vertraute, leicht tranige Geruch.
    Sie sind hier irgendwo. Es sind ganz viele.
    Der Mistkerl stieß schließlich eine grobe Holztür auf und bedeutete Liya mit einer herrischen Handbewegung, einzutreten. Er selbst und sein Begleiter blieben vor der Tür stehen. Immer noch in der Annahme, dass man sie bald zum Großmeister bringen würde, betrat Liya den Raum.
    Ein kleiner Raum, fast eine Zelle. Ganz oben ein kleines Oberlicht, durch das ein wenig Licht sickerte. Wenig Mobiliar. Ein Tisch nur, ein Stuhl und ein uraltes Regal mit Dokumentenstapeln aus Tentakelbaumfasern, einer Art Papier, das in diesen klimatischen Bedingungen haltbarer war als jeder Datenträger. Ein Zeichen dafür, dass die Dokumente sehr wichtig waren. Auf dem Stuhl hinter dem Tisch saß ein dicker, hässlicher Mann und stülpte seinen massigen Leib über ein Dokument wie eine Amöbe über ein Nahrungspartikelchen. Auch er trug die Tracht der Zhan Shi, und das wunderte Liya, denn sie hatte sich bislang alle Zhan Shi immer gut durchtrainiert vorgestellt.
    »Ja, das denkt jeder, wenn er zum ersten Mal hier reinkommt«, knurrte der Mann, ohne von seinem Dokument

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