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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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die automatische Tür und hämmerte mit beiden Fäusten dagegen. »He! Ich bin wach! Ich will hier raus! ... Heeee!!! Hört ihr mich?! Ich will raus!«
    Keine Reaktion. Nicht das leiseste Geräusch war hinter der Tür zu hören. Huan schrie sich die Seele aus dem Leib, aber kein Lämpchen blinkte, keine Stimme, die aus einem versteckten Lautsprecher quäkte, kein Arzt, der hereinstürmte, um ihn an die Pritsche zu fesseln. Einfach nichts. Wie vergessen. Obwohl er sicher war, dass sie ihn die ganze Zeit über beobachteten.
    Nach einer Weile gab Huan erschöpft auf und harrte der Dinge, die da kommen würden. Die Attacke gegen die Tür hatte immerhin seine Verzweiflung vertrieben.
    Dafür wurde ihm nun langweilig. Huan stöhnte, rieb sich den Kopf, stand auf, lief herum und setzte sich wieder auf die Pritsche. Die Zeit war zäher Klebstoff und pappte ihn in diesem Raum fest.
    Um sich die Zeit zu vertreiben, um wenigstens irgendwas zu tun, das entfernt mit seiner Lage zusammenhing, oder auch nur, um nicht durchzudrehen, sang Huan sich das fremdartige Lied vor, das ihn zu der Würstchenbude an der Alster geführt hatte. Die Erinnerung an das Lied fiel ihm seltsamerweise nicht schwer. Huan stand auf und schritt im Rhythmus des Liedes langsam und konzentriert durch den kleinen Raum. Sobald die Melodie eine Drehung anzeigte, drehte er sich in die entsprechende Richtung, solange das Lied keine Richtungsänderung vorschrieb, ging er einfach auf und ab. Das beschäftigte ihn so, dass er sogar ein wenig ins Schwitzen kam und zusammenzuckte, als bei einer Linksdrehung plötzlich die automatische Tür aufging und ein Mädchen eintrat.
    Nicht irgendein Mädchen.
    Sie war das schönste Mädchen, das Huan je gesehen hatte. Etwa in seinem Alter, kurz geschnittene messingfarbene Haare, ein schmales nordeuropäisches Gesicht, eine scharfe, etwas zu große Nase unter großen Augen, die die Farbe des Meeres an einem stürmischen Frühlingstag hatten. Sie war größer als Huan, aber das war nicht verwunderlich, denn er war in seinem Jahrgang stets einer der Kleinsten gewesen. Das Mädchen trug ein schlichtes fliederfarbenes Wickelkleid ohne Ärmel. Kurz genug, dass Huan ihre Beine und Arme sehen konnte, und eng genug gewickelt, dass sich ihre Brüste deutlich darunter abzeichneten. Alles an dem Mädchen schien etwas in die Länge gezogen - Beine, Arme, Finger, der Hals. Auf Huan wirkte es vollkommen. Vollkommene Zartheit. Vollkommene Anmut in jeder ihrer Gesten.
    »Gruß, Sariel«, sagte das Mädchen und blickte ihn offen und ein wenig belustigt an. »Was tust du da?«
    »... Nichts. Ich laufe herum.«
    »Und singst.«
    Was sollte man dazu sagen! Huan wurde verlegen.
    Das Mädchen hielt einen Stapel frischer Kleidung in dunkelroter Farbe in den Händen, den es nun auf Huans Pritsche ablegte. Sie bewegte sich langsam, den Kopf stets erhoben, und ihre blasse Haut schimmerte matt im künstlichen Licht. Bewegungen, die in Huan augenblicklich den drängenden Wunsch auslösten, sie zu berühren und von ihr berührt zu werden.
    »Ich bin Eyla. Die Tochter von Lin-Ran.« Eyla. Auch der Name schien ihm vollkommen passend. Eyla.
    »Huan«, stellte sich Huan vor, weil ihm nichts Besseres einfiel. Das Mädchen lachte und kam näher.
    »Nein! Du bist Sariel.«
    Sie musterte ihn einen Moment und Huan bekam Gänsehaut. Sein Magen meldete sich und sein Mund wurde trocken. Kannte er schon. Bei Jana war es genauso gewesen. Aber an Jana dachte er jetzt nicht mehr. Weil das Mädchen jetzt nahe an ihn herantrat, ganz nahe.
    Weil sie seine Wange mit einer Hand berührte, ganz sanft. Weil sein Herz bei dieser Berührung fast aussetzte. Weil sie ihn dann küsste.
    Wie schon einmal, als er noch im Koma lag. Ein Hauch nur, ihre Lippen schwebten fast über seinen Mund, aber lang genug, dass Huan ihren Atem spürte. Lang genug, um sich an den Kuss im Koma zu erinnern. Lang genug, um sich in dieses Mädchen zu verlieben.
    Sie ließ den Blick nicht von ihm, blieb dicht vor seinem Gesicht.
    »Wie war noch mal dein Name?«
    »Sariel«, erwiderte Huan jetzt und schluckte. »Mein Name ist Sariel.«
    Sie lächelte ihn an, und Huan wusste, dass er für dieses Lächeln alles tun würde. Einfach alles. Tun musste.
    Sie deutete auf den Stapel mit der dunkelroten Kleidung. »Du musst das anziehen.«
    »Was, jetzt?«
    »Ja.«
    Huan zögerte. »Dreh dich um.«
    »Warum?«
    Huan atmete durch. »Darum! Weil ich mich ausziehen muss!«
    »Kein Problem. Ich habe dich bereits nackt

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