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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Grad zu verschätzen, gelang nur den wenigsten. Wer einfach der Sonne nachlief - lief im Kreis. Navigation nach Sternen erforderte ein hohes astronomisches Wissen. Die Ori bedienten sich zusätzlich einer der ältesten Navigationsmethoden der Welt: dem Lied.
    Das Lied war eine ähnliche Methode wie Liyas Geschichten, nur viel älter. Noch älter als die Ori. Alt wie die Menschheit. Schon in den Mythen der australischen Ureinwohner war die Welt durchzogen von magischen Linien, die man singen konnte. Die Linien ergaben ein Lied und durch dieses Lied war alles mit allem verbunden und die Welt ergab einen Sinn. Singend konnte man die Welt durchwandern und sie dabei jedes Mal für sich neu erschaffen.
    Der genaue Ursprung des Liedes war unbekannt. Manche Ori behaupteten, die Kalmare hätten es einst geträumt, aber Liya hielt das für reine Legende. Kalmare sangen keine Lieder. Das Lied wurde nur mündlich weitergegeben. Seine Melodie war monoton wie die Wüste und sein Text stammte aus einer untergegangenen Sprache und blieb den Ori völlig unverständlich. Wichtig war nur, dass das Lied funktionierte. Jede Modulation, jedes Wort entsprach einer bestimmten Bewegung und Geschwindigkeit, gleich ob man auf einem Kalmar oder zu Fuß unterwegs war. Jeder Karawanenführer kannte das Lied und war dadurch in der Lage, seine Karawane sicher durch das glutheiße Nichts der Regenschattenwüste zu navigieren.
    Liya hatte das Lied von ihrem Vater gelernt, aber sie verließ sich lieber auf ihre Geschichten. Schon wegen des gefräßigen Seelentiers.
    In den letzten Tagen hatte Liya mit Sorge bemerkt, dass das Seelentier bereits an der kleinen Duo fraß. Liya war nun schon über eine Woche mit ihrem Trupp unterwegs und hatte Gelegenheit gehabt, ihre neuen Gefährtinnen kennenzulernen.
    Das Verhältnis zu Mingan hatte sich nicht verbessert, im Gegenteil. Mingan reagierte mit jedem Tag feindseliger auf Liya. Die »eiskalte Elfe«, wie Liya sie jetzt heimlich nannte, behandelte sie wie einen Fremdkörper, wie etwas Ansteckendes, und teilte ihr nur die niederen Arbeiten zu. Naiyong war äußerlich das Gegenteil von ihr, kräftig, fast athletisch, gutmütig und ebenso dunkelhaarig wie Yan, die allerdings etwas Verschlagenes an sich hatte. Liya fragte sich, ob das nur Masche war oder ob man auf der Hut sein musste bei Yan. Gui war die Lustige. Sie sprach viel, plapperte geradezu ununterbrochen, wenn es sein musste, mit sich selbst, und versuchte, die anderen mit Witzchen und kleinen Lästereien über andere Kriegerinnen zu unterhalten. Ein bisschen nervend mitunter, aber Liya verstand, dass auch dies eine Methode war, sich das Seelentier vom Leib zu halten. Aus Yuanfen wurde Liya nicht schlau. Sie schien ihre Eifersucht an der Pforte der Zhan-Shi-Festung zurückgelassen zu haben und bemühte sich um Liyas Freundschaft. Fing Gespräche an. Ging ihr zur Hand, wenn Mingan ihr wieder aufgebürdet hatte, das Lager aufzubauen oder das Essen zuzubereiten. Fragte sie nach ihrer Mutter. Hörte zu, auch wenn Liya kaum je etwas Persönliches preisgab. Liya spürte jedoch zunehmend das Bedürfnis, Yuanfen von sich zu erzählen, sich ihr anzuvertrauen. Aber noch war dafür nicht die Zeit.
    Die Problematischste von allen war Duo. Zu Beginn der Reise ein kleines rothaariges Energiebündel. Laut, schlagfertig, mit markigen Sprüchen und einem unerschöpflichen Fundus an zotigen Witzen. Mit jedem Tag jedoch war sie schweigsamer geworden und sprach nun seit zwei Tagen schon kein Wort mehr, saß nur apathisch auf ihrem Kalmar und stierte vor sich hin. Aß wie mechanisch, reagierte nicht auf Fragen und schlief viel. Zu viel. Ein Zeichen, dass das Seelentier bereits zugebissen hatte. Duo löste sich auf und Liya machte sich große Sorgen. Sie hatte versucht, Mingan darauf anzusprechen, aber Mingan hatte nur abgewunken und gemeint, das würde schon vorbeigehen, Liya solle sich nicht als Truppglucke aufspielen.
    Truppglucke!
    Das Seelentier, Wassermangel, Feuerspucker und Gigamiten waren allerdings nicht die einzigen Gefahren, die in der Wüste lauerten. Das Wetter konnte innerhalb einer Stunde von einem Extrem ins andere umschlagen und zum Monster werden. Liya prüfte unablässig den Himmel auf Anzeichen von Wetterveränderungen, um den Trupp rechtzeitig warnen zu können. Bis jetzt hatten sie Glück gehabt und nur einen kleinen Sandsturm überstehen müssen. Um die Mädchen und die Kalmare nicht der größten Hitze auszusetzen, führte Liya den Trupp dicht an der

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