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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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und sich dabei die linke Schulter ausgekugelt hatte. Die Schmerzen waren höllisch gewesen, bis ihr Vater ihr die Schulter mit einem Ruck wieder eingerenkt hatte. Seitdem wusste sie, was sie im Notfall tun musste.
    Jetzt tun musste. Auch wenn es wehtun würde, sehr, sehr weh.
    Liya brauchte fast eine Stunde, ehe sie genug Mut und Verzweiflung gesammelt hatte. Die Überwindung war ungeheuer, aber Liya wusste auch, dass dies ihre einzige Überlebenschance war. Wenn es nicht funktionierte, waren die Schmerzen noch ihr kleinstes Problem.
    Liya erhob sich mühsam, stellte sich seitlich an den Felsbrocken und drückte die rechte Schulter probeweise dagegen. Dann, mit einem heftigen Ruck, holte sie aus und rammte ihre Schulter, so fest sie konnte, gegen den Fels.
    Ein kurzes trockenes »Klock« - dann hatte sie sich selbst die Schulter ausgekugelt.
    Liya wurde beinahe ohnmächtig vor Schmerz und Hitze, dennoch gelang es ihr, sich aus den Fesseln zu entwinden, die sich nun viel lockerer um die ausgekugelte Schulter schlangen. Anschließend versuchte sie, sich den schlaffen Arm wieder einzukugeln, was viel schwieriger war. Stöhnend presste sie sich mit der Schulter an den Fels, um die richtige Position zu finden, und drückte. Sie heulte bei jedem vergeblichen Versuch. Aber sie gab nicht auf, bis die rechte Schulter mit dem gleichen »Klock« schließlich in ihre ursprüngliche Position zurückschnappte.
    Kraftlos ließ sich Liya in den Sand fallen, versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren, und wartete darauf, dass der Schmerz abflaute.
    Es dämmerte bereits, als Liya wieder klar denken konnte und sie aus der Richtung, in der die Mädchen verschwunden waren, die Silhouette eines Kalmars auf sich zutrotten sah.
    Liya hätte Biaos Bewegungen unter Hunderten von Kalmaren erkannt. Die Freude über seine Rückkehr sprengte ihr fast die Brust, mehr als die Freude über die gelungene Befreiung.
    Biao war noch nie der Schnellste gewesen, er beeilte sich auch jetzt nicht besonders. Als er die ungeduldig wartende Liya endlich erreichte, ließ er sich wie ein gefällter Baum vor ihr in den Sand fallen, dass die Erde bebte, und streckte ihr einen Tentakel entgegen. Seine Haut wechselte dabei von Rosa zu Gelb, und Liya wusste, was er meinte.
    »Ist schon gut, Dicker. Ich hab's nicht verstanden, aber du bist ja wieder zurück, das ist die Hauptsache.«
    Biaos Rückkehr bedeutete für Liya aber nicht nur Trost, sondern auch Rettung. Nur mit ihm hatte sie eine Chance, der Wüste lebend zu entkommen. Sie ergriff den ausgestreckten Tentakel und drückte ihn fest an sich. Biao machte pfeifende Geräusche des Glücks.
    »Ich verstehe euch Kalmare wirklich nicht! Warum bist du mitgegangen?«
    Statt einer Antwort griff Biao hinter sich, wo ein kleines Paket festgeschnallt war. Ihr Shi und die Machete, eingewickelt in den Kyrrschal. Ein Brief war daran geheftet, in großer Eile auf ein Stück Stoff gekritzelt.
     
    Liebe Liya,
    glaub mir, ich konnte nichts ändern. Das Einzige, was ich tun kann, ist, dir Biao mit deinen Sachen zurückzuschicken. Mingan wird mich schlachten dafür, aber das ist jetzt nicht wichtig. Wir reiten nordwärts, Mingan drückt ziemlich aufs Tempo. Folge uns nicht, es wäre dein sicherer Tod. Leb wohl - deine Freundin Yuanfen
    Ein Brief, der nichts erklärte, gar nichts. Liya wickelte sich in ihren Kyrrschal, um nicht noch weiter der Hitze ausgesetzt zu sein, und suchte nach ihrem Wasserbeutel, der immer festgeschnallt am Sattel hing. Er hing immer noch dort -aber leer. Yuanfen hatte ihr den Schal und ihre Waffen mitgeschickt, aber kein Wasser. Und keine Mondtränen.
    »Verdammt! Wir haben ein Problem, Dicker!«
    Biao konnte durch seine Wasserspeicher unter der Haut noch einige Tage durchhalten. Aber für Liya standen die Chancen, ohne Wasser und Mondtränen heil aus dieser Gluthölle herauszukommen, gleich null. Schon jetzt, nach Stunden in Hitze und Schmerz, quälte sie der Durst wie ein Feuer, das sie von innen verzehrte. Sie konnte kaum noch klar denken, schluckte ständig vergeblich, schmatzte und leckte sich die aufgesprungenen Lippen. Sie würde keine zwei Tage mehr durchhalten.
    Zurück zur Oase zu reiten war Wahnsinn. Viel zu weit, und sie war immer noch eine Zhan Shi und hatte eine Aufgabe. Liyas erster Impuls war, wie geplant das breite Tal hinaufzureiten und den Ort zu suchen, von dem sie geträumt hatte. Der Ort, an dem sie möglicherweise auf den Sariel stoßen würde.
    Liyas zweiter Gedanke war, Yuanfen

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