Pangea - Der achte Tag
würde es reichen. Trotzdem musste man erst drankommen. Die Außenkruste der Gigamitenbauten war steinhart und bestand aus einem Gemisch aus Sand und Gigamitenspeichel, das an der Sonne zu einer Art Zement festbackte. Liya hatte keine Hacke dabei und die Machete würde nur stumpf werden. Also entschied sich Liya für ein brutaleres Verfahren.
Auf einen kurzen Ruf von Liya stampfte Biao einmal beherzt mit einem seiner sechs Schreittentakel mitten in den Bau hinein. Die Außenwand zersplitterte unter der Wucht des Tritts wie eine Eierschale. Darunter war der Sand lehmig und feucht.
»Sehr gut, mein Dicker!«
Liya verlor keine Zeit mehr und grub mit beiden Händen, so schnell sie konnte. Sie wusste nicht, wie tief die Wasserspeicher lagen, aber sie wusste, dass sie sich beeilen musste. Die Erschütterung des Tritts hatte sich bereits weit ins Innere des Baus fortgepflanzt und einen Alarm ausgelöst. Biao half Liya mit seinen Fangtentakeln und schaufelte den lehmigen Sand weg.
Immer noch kein Wasser.
»Verdammt, wo ist das Wasser?«, schrie Liya. Sie konnte bereits die aufgeregten Pfiffe der Gigamiten hören, die sich zur Verteidigung sammelten.
Verzweifelt buddelte Liya weiter, krallte ihre Hände in den Lehm und riss den Hügel mit Biaos Hilfe regelrecht auf. Ein einzelner Gigamit, vermutlich ein Späher, biss ihr plötzlich in die Hand. Liya schrie auf, schleuderte das rattengroße Tier von sich und hörte, wie Biao es hinter ihr mit einem Tritt zerquetschte. Hässliches Geräusch.
Liya blutete jetzt aus der Hand, aber sie achtete nicht darauf. Heute war der Tag des Schmerzes.
Aber verdammt noch mal auch der Tag des Wassers!
Wie wahnsinnig buddelte Liya weiter - bis sie endlich auf Wasser stieß. Sie erkannte den Speicher daran, dass er ähnlich wie die Außenhaut der Hügel mit einer Kruste vor dem Austrocknen geschützt war. Die Kruste ließ sich jedoch mit der Hand aufbrechen und ein fauliger, widerlicher Gestank kam Liya entgegen. Liya achtete nicht einmal darauf, denn unter der Kruste schwappten annähernd drei Liter Wasser. Grünlich und stinkend zwar, aber trinkbar. Hastig tunkte Liya ihren Wasserbeutel in die Brühe, ließ ihn volllaufen, verstöpselte ihn eilig und sprang dann auf. Sie konnte bereits tausendfache Bewegung unter sich spüren, wie ein fernes Erdbeben, das unaufhaltsam anrollte.
Liya hievte sich mit einem Schwung zurück in ihren Sattel. »Los, Biao! Jetzt lauf, wie du noch nie gelaufen bist! Lauf um unser Leben!«
Sie kannte ihren Kalmar und wusste, dass sie ihm damit das Schlimmstmögliche antat. Biao war zuverlässig und ausdauernd. Aber eben langsam. Selbst ältere Kalmare überholten ihn noch. Liya liebte Biao über alles, aber wie oft hatte sie seine Langsamkeit verflucht. Selbst jetzt, wo es um alles ging, kam er kaum aus seinem üblichen Trott heraus. Er setzte sich in Trab, strengte sich sichtlich an, doch er war eben kein Rennkalmar. Sein enormes Gewicht ließ schlicht keine höhere Geschwindigkeit zu.
Schneller, mein Dicker! Mein guter, lieber, wunderbarer, dicker Biao, lauf schneller!
Liya spürte die Anstrengung ihres Kalmars, aber sie spürte auch, dass sie ihn an seine Grenzen trieb. Ein Geräusch ließ sie zurückblicken. Voller Entsetzen sah sie einen Strom von Gigamiten aus dem aufgebrochenen Hügel herausquellen. Zunächst Hunderte. Schnell wurden es mehr. Auch aus den Hügeln ringsum kamen Aberhunderte von Gigamiten aus der Erde, sprudelten zigtausendfach aus den Schlupflöchern und vereinigten sich zu einer tödlichen Flut, die nur ein Ziel hatte: die Wasserdiebe. Erschüttert wunderte sich Liya, wie viele Gigamiten unter dem Wüstenboden lebten und wie gut sie offenbar organisiert waren. Selbst aus weit entlegenen Hügeln vor ihr strömten die Tiere jetzt heraus, und Liya verstand, dass sie aufhören konnte, Biao anzutreiben. Sie waren längst eingekesselt.
Das Schlimmste war das Geräusch, das sie machten. Das hohe Pfeifen, das ein einzelner Gigamit erzeugte, steigerte sich in der Masse zu einem schrillen Kreischen, das durch Mark und Bein ging.
Liya ergriff ihr Shi, legte es aber gleich wieder beiseite, als ihr klar wurde, wie machtlos die Waffe gegen einen Ansturm von Tausenden von Gigamiten war. Stattdessen ergriff sie ihre Machete, sprang von Biao hinunter und nahm sich vor, es den kleinen Biestern so schwer wie möglich zu machen.
Sie ließ die Machete flach über den Boden sausen, als die ersten Gigamiten nah genug waren, und erledigte gleich sieben
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