Panic
Angelegenheit wissen. Was für Pläne Sie hätten und so. Und ich hab’s ihm erzählt … na ja, ich brauchte doch seine Reaktion, für meinen Artikel. Als er hörte, dass Sie wieder Jagden veranstalten würden, wurde er eine Weile ganz still und in sich gekehrt; dann fing er an, in dieser Sprache zu reden, Huichol, nehm ich an. Ich weiß auch nicht. Vermutlich dachte er, ich sei jemand anders, weil er dann zu singen anfing und mit dem gelben Pfeil in der Hand herumtanzte, ungefähr so, wie Sie es auch beschrieben haben. Und ich hatte plötzlich das beklemmende Gefühl, er würde durchdrehen und seine Wut an mir auslassen, aber dem war nicht so. Er sang und tanzte nur immer weiter, so als wäre ich gar nicht da. Der junge Ramon muss das Singen gehört haben, weil er plötzlich mit weit aufgerissenen Augen und schweißgebadet zur Tür hereinstürzte, mich am Kragen packte und aus der Hütte zerren wollte. Ich versuchte mich noch von Ryan zu verabschieden, aber der tanzte weiter und sang dabei immer und immer wieder dieselbe Melodie.«
Kurant starrte ins Leere.
»War’s das?«, fragte Nelson.
Kurant redete weiter, als wären wir nicht da. »Ramon sah zu, dass wir im Galopp aus der Stadt ritten. Ein Wind war aufgekommen, wirbelte überall Staub auf. Ein paar Meilen weiter fragte ich Ramon, was Ryan in seiner Hütte gesungen habe. Ramon wollte es mir nicht sagen, aber ich bestand darauf. Er hätte es erst ein einziges Mal gehört, erzählte er dann, vor langer Zeit, nachdem die Geliebte seines Onkels von ihrem eifersüchtigen Ehemann ermordet worden sei. Der Gesang, sagte er, beschwöre tierische Verbündete … bringe Verwüstung und Rache im Gefolge einer verlorenen Liebe.«
Wir verstummten, hingen unseren Gedanken nach. Phil sah in die Runde und fing an zu lachen. »Was für ein Haufen Blödsinn! Zauberer! Der Typ hat doch ’ne Meise.«
Ich sah Phil traurig an. »Schön wär’s.«
»Verschweigen Sie uns etwas?«, fragte Griff.
»Er hat die Macht, Wölfe zu beschwören«, sagte ich und erzählte ihnen, was passiert war, nachdem Ryan mich aus der Höhle geführt hatte.
»Ach, kommen Sie«, sagte Arnie. »Das ist doch Zufall. Er hat die Wölfe eben regelmäßig gefüttert. Deshalb sind sie gekommen.«
»Wölfe gehen nicht gern in die Nähe von Menschen«, sagte ich. »Sie vermeiden den Geruch, wo es nur geht. Nein, das war etwas anderes als der gute alte Pawlow’sche Reiz.«
»Wollen Sie damit sagen, dass er unverwundbar ist?«, fragte Theresa mit ängstlicher Stimme, »dass nichts ihn aufhalten kann?«
»Ich sage nur, dass ich nicht weiß, wie man ihn aufhalten kann.«
»Was will er?«, fragte Phil.
»Er will die Jagd reinigen«, sagte ich. »Er betrachtet das Ganze als eine Art Reinigungsritual.«
»Indem er uns alle umbringt?«, fragte Lenore.
»Ja.«
Es wurde still im Raum, als jeder von uns Ryans Geschichte auf sich wirken ließ. Ich wusste jetzt mehr als nur die Fakten, aber es reichte mir trotzdem noch nicht. Ich hatte dem Mann gegenübergestanden. Ich hatte in der Halluzination seinen Schmerz gespürt. Doch dies war mehr als nur Rache. Und solange ich das nicht herausgefunden hatte, würde ich ihn nicht ganz verstehen. Und solange ich ihn nicht verstand, konnte ich ihn nicht richtig jagen.
Cantrell räusperte sich. Seine Augen waren glasig, und seine Hände zitterten leicht. »Ich glaube, ich weiß, wie wir ihn kriegen.«
Sheila hob den Kopf. »Wie denn?«
Cantrell starrte zu Boden. »Er behauptet, er will uns alle umbringen, aber das glaube ich nicht.«
»So hat er es aber gesagt.«
Cantrell schüttelte den Kopf. »Er hat es auf mich abgesehen. Meine Gegenwart will er auslöschen. Wenn wir ihn erwischen wollen, muss ich mich als Köder anbieten.«
»Nein!«, rief Sheila entsetzt. »Nein, das lasse ich nicht zu, Mike!«
Er packte sie an den Handgelenken und schüttelte sie. »Ich hab euch die Suppe eingebrockt, Sheila. Jetzt muss ich sie auch auslöffeln.«
Dreiundzwanzigster November
»Irgendein Zeichen?«, kam Nelsons flüsternde Stimme über Funk.
»Nichts«, gab ich zurück.
»Halten Sie die Augen offen, ja?«, sagte Cantrell. »Sein Leben hängt davon ab.«
Perlen aus Schnee und gefrorenem Regen prasselten auf das Dickicht ringsum nieder, bildeten bleiche Vorhänge, die sich mit den Launen des Südwestwinds öffneten und schlossen. Windböen wirbelten den Waldboden auf und krochen mir in die Hosenbeine, dass ich fröstelte. Ich trug Griffs Tarnanzug. Ich war so unsichtbar,
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