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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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des Stamms diesen weißen Fleck. Und er bewegt sich. Sie sagten, er würde weißes Tarnzeug tragen, also hab ich angenommen, dass er das ist, der draußen durch die Gegend kriecht, und hab geschossen, bis er sich nicht mehr bewegte.«
    Sie klammerte sich noch fester an den Baum, drückte dabei ihre gewaltigen Brüste platt. »Hab ich ihn erwischt? Was meinen Sie?«
    »Ich weiß es nicht, Theresa. Wir müssen nachsehen.«
    Theresa schüttelte den Kopf. »Ich kann da nicht runtergehen. Ich will nicht sehen, was ich angerichtet hab, falls er tot ist. Ist mir egal, was er getan hat. Ich … ich war noch nie begeistert von der Jagd.«
    »Na schön«, sagte ich. »Aber Sie müssen mir Deckung geben.«
    Sie nickte unsicher, dann löste sie die Arme vom Baumstamm und blickte nach Süden.
    Vierzig Meter hinter Theresas Hochsitz säumten hohe Fichten die Lichtung. Bleiche Grasbüschel stachen durch den windgepressten Schnee. Ich schlich vorsichtig von Baum zu Baum, wobei ich hinter jedem kurz innehielt, um das Gelände unter mir zu prüfen.
    »Diana?«, tönte es aus dem Walkie-Talkie. Cantrell. »Ich habe euch jetzt beide im Blick, Theresa auf ihrem Baum und Sie auch, ungefähr dreihundert Meter östlich von mir.«
    »Sehen Sie sonst noch jemanden?«
    »Nein.«
    »Dann gehen Sie langsam auf die Felsplatte zu, etwa fünfzig Meter südlich von mir. Da hat sie ihn gesehen, bevor sie den Schuss abgegeben hat.«
    Während ich mich langsam der verdächtigen Stelle näherte, das Gewehr im Anschlag, prüfte ich sorgfältig jeden Quadratzentimeter im Umkreis der Lärche, doch nichts regte sich. Da kam Cantrell in Sicht. Ich sah, wie er sich behutsam vorantastete, zuerst die Zehen aufsetzte, ehe er den Fuß zur Ferse hin abrollte. Er hatte die Pistole in beiden Händen. Auf gleicher Höhe mit der Lärche, bedeutete er mir stehen zu bleiben.
    »Da drüben, hinter dem Baum, da ist Blut«, flüsterte er ins Funkgerät.
    Alles änderte sich. Ich suchte mit den Augen den Waldboden ab, und hoffte, Ryan zu entdecken, der sich vor Schmerzen wand, fand aber nur vereiste Zweige, die aus dem Schnee ragten. Als ich den Baumstamm erreichte, spähte ich dahinter und wich angeekelt zurück. Da lag der blutige, kopflose Kadaver eines riesigen Schneehasen. Ich schluckte, kletterte über den Stamm und hob das geköpfte Tier auf. Ein Hinterlauf war unnatürlich nach außen gebogen, gebrochen, wie ich feststellte, aber nicht etwa von der Wucht einer Gewehrkugel, sondern von der grausamen Kraft einer Männerhand.
    Ich zermarterte mir das Hirn, warum Ryan dem Tier den Hinterlauf gebrochen und es dann fortgeschleudert hatte, als ein vierter Schuss, ganz in der Nähe, meine Gedankenfolge sprengte. Ich suchte hinter dem Baumstamm Deckung und fragte Theresa, warum sie diesmal geschossen hatte.
    »Das war nicht sie!«, brüllte Cantrell. »Das war Kurant!« Er rannte auf mich zu, sah mich mit dem Hasen in der Hand, zögerte kurz, und rannte dann in östlicher Richtung davon, wobei er über die Schulter brüllte: »Ryan ist in die andere Richtung gelaufen!«
    Ich jagte ihm hinterher, die Whelan in der Linken, das Funkgerät in der rechten Hand. »Kurant? Kurant?«
    »Er hat geschrien, da hab ich geschossen!«, kam es von Kurant. »Er schreit noch immer, aber ich sehe ihn nicht. Was soll ich tun?«
    »Schießen Sie nicht mehr, außer, Sie sind wirklich sicher, dass er es ist!«, rief ich zurück. »Das gilt auch für die anderen! Er benutzt …«
    Ich stolperte über einen Stamm. Das Funkgerät flog mir aus der Hand und verschwand im Schnee.
    Ich hatte jetzt keine Zeit, danach zu suchen. Ich musste mit Cantrell Schritt halten. Er rannte wie ein Besessener, schien ganz sicher, dass Ryan in der Nähe war und sein Albtraum bald zu Ende sein würde. So oder so. Ich rannte ihm hinterher, von der Vorstellung getrieben, Cantrell vor Ryan retten zu müssen, oder wenigstens vor sich selbst. Wir ertragen Krisenzeiten oft nur dadurch, indem wir uns selbst die hübschesten Lügen auftischen.
     
    Der Hase wimmerte noch immer, als wir in einer flachen Senke auf ihn stießen, hundert Meter östlich von Kurants Standort. Er strampelte und fiepte und wand sich, verstand nicht, dass sein Hinterlauf zertrümmert und nicht mehr zu gebrauchen war. Kurants Geschoss hatte in fünfzig Zentimetern Höhe einen Baumstumpf entrindet.
    Cantrell lehnte an einem großen Felsbrocken, hielt sich die Seite und atmete stoßweise. »Was soll diese Hasenscheiße?«, fragte er. Seine Haut war grau.

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