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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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von mir auf dem Knöchel des kleinen Fingers, Sheila auf dessen Nagel, weil Cantrell ihn für den strategisch sichersten Ort hielt.
    Sobald Sheila akzeptiert hatte, dass ihr Mann fest entschlossen war, als Lockvogel zu fungieren, war sie nicht davon abzubringen, uns in den Wald zu begleiten.
    »Nein«, sagte Cantrell. »Das lasse ich nicht zu.«
    Doch Sheila blieb hart; sie würde auch jetzt hinter ihrem Mann stehen, wie schon nach Lizzy Ryans Tod. »Wenn du glaubst, ich bleib hier im Blockhaus, während du rausgehst und dich umbringen lässt, dann musst du verrückt sein!«
    Wir fanden nur wenig Schlaf, nachdem wir den Plan entwickelt hatten. Lange vor Morgengrauen verlegten wir Earl und Lenore in ein Zimmer im oberen Stock des Blockhauses. Arnie hatte den Verband auf Earls Rücken gewechselt, ihn erneut mit Antibiotika und Schmerzmitteln ausgestattet und Lenore dann eine Flinte in die Hand gedrückt. Nachdem sie die Tür hinter sich zugemacht hatte, stellte ich mir vor, wie sie auf dem harten Stuhl an Earls Bett saß, den ganzen langen Tag die Tür im Auge behielt und bei jedem Knarzen der Dielen im Erdgeschoss zusammenzuckte. Ich hätte es nicht ertragen.
    Eine Stunde vor Tagesanbruch waren wir zu Fuß aufgebrochen. Cantrell und ich begleiteten jeden zu seinem Versteck. Am jeweiligen Baum angekommen, schnallten wir stählerne Steigeisen unter die Schuhe, kletterten acht Meter den Stamm hinauf und befestigten den stählernen Hochsitz. Um acht Uhr morgens war jeder Schütze an seinem Platz und bemüht, trotz klammer Kälte, möglichst regungslos auszuharren; Cantrell und ich dagegen streiften zwischen den einzelnen Hügeln umher, in der Hoffnung, Ryan in die Falle zu locken.
    Die Strategie hatte Hand und Fuß. Mit seinem Angriff auf das Blockhaus hatte Ryan bewiesen, dass er jede Gelegenheit nutzen würde, sein krankes Ritual zu Ende zu bringen. Doch anstatt ihm im unüberschaubaren Dickicht des offenen Waldes zu begegnen, wollten wir die Konfrontation auf diesen kleinen Geländeausschnitt beschränken, mit dem Ziel, Ryan in einen der Trichter zwischen den Fingerfelsen zu locken, wo ihn entweder ich oder einer der anderen ins Visier nehmen konnte, bevor er Cantrell erledigte.
    Jetzt kamen mir jedoch die ersten Zweifel. Ich war dem Pächter schon fast seit drei Stunden hinterher getrottet, hatte das Gelände dreimal vollständig umrundet, ohne dass Ryan aufgetaucht war. Das Flüstern über Funk wurde immer eindringlicher: »Schon was gesehen?« – »Nein, und du?« – »Nichts.« – »Das gefällt mir nicht.«
    Cantrell steckte die Pistole ins Schulterhalfter, nahm die Baseball-Kappe ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Er zog eine Wasserflasche aus dem Rucksack und trank. Dann nickte er mir zu und deutete in Arnies Richtung. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich direkt hinter ihm bliebe, und sah auf die Uhr: 11  Uhr 31 .
    Da fiel der erste Schuss. Ein dumpfer Knall hinter meiner linken Schulter. Und dann ein zweiter und ein dritter, alle am äußersten Rand des ersten Fingers, auf halber Höhe den Hügel hinunter.
    »Theresa!« Ausgerechnet. Ich war verzweifelt. Die beiden Frauen hatten wir eigens so postiert, dass eine Begegnung mit Ryan sehr unwahrscheinlich war. Ich rannte auf der Spur, die ich im Schnee hinterlassen hatte, wieder zurück, auf Theresas Position zu. Im Laufen riss ich das Funkgerät vom Gürtel und rief: »Das war Theresa! Nicht funken, bis ich es euch sage. Cantrell! Cantrell! Hören Sie zu: Wenn sie ihn verfehlt hat, wird er eine Schleife laufen. Gehen Sie in südöstlicher Richtung auf sie zu. Ich nehm den direkten Weg.«
    »Okay«, kam die heisere Antwort des Pächters. Ich drehte mich nicht nach ihm um. Er war jetzt auf sich allein gestellt. Ich konnte ihn nicht mehr beschatten.
    »Theresa?«, raunte ich ins Funkgerät. »Theresa, antworten Sie!«
    »Kommen Sie schnell!«, wimmerte sie zurück. »Ich glaube, ich hab ihn getroffen, aber ich sehe ihn nicht mehr. Machen Sie schnell!«
     
    Theresa klammerte sich an den Stamm der Fichte, die wir am Morgen für sie ausgesucht hatten. Ihr Gesicht war kaum sichtbar unter der grünen Wollmütze, und sie wankte im Hochstand. Als sie mich sah, fing sie sich wieder und wies mit dem Gewehrlauf nach Süden.
    »Da unten«, keuchte sie, »am Rand der letzten Felsplatte, in der Nähe der umgestürzten Lärche, da hörte ich dieses abscheuliche Schreien, wie von einem Baby, das Bauchweh hat oder so was. Und da sehe ich auf der anderen Seite

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