Panic
seinen Namen erwerben und dann die Anteile verkaufen. Das war noch vor der Bürgerrechtsbewegung, müssen Sie wissen. Aber Vinny war ein zäher Bursche. Er wurde ganz schön angefeindet, weil er die Jagdhütte mit einem Schwarzen teilte, aber er sagte den Ärschen, sie könnten ihn kreuzweise. Mein Dad hat Vinny vergöttert.«
»Ihr seid also alle drei mit der Jagd groß geworden, wie interessant.«
»Seit wir acht oder neun waren«, sagte Butch. »Jeden Herbst, komme, was wolle.«
»Komme, was wolle«, wiederholten Phil und Arnie fast wie aus einem Mund.
»Klingt, als hättet ihr euch ein Versprechen gegeben«, meinte ich.
»Wir sind zwar beruflich verschiedene Wege gegangen, aber im November gehen wir gemeinsam auf die Jagd, das ist schon Tradition«, sagte Butch.
»Die Jagd ist so ungefähr das Einzige, was mich mit diesem Althippie noch verbindet«, frotzelte Phil und knuffte Butch in den Arm.
»Darf ich Sie was fragen«, sagte ich und zeigte auf seine Haare. »Warum – Butch?«
Arnie hätte sich fast verschluckt und lachte schallend. »Wir nerven ihn schon seit Jahren deswegen.«
Phil grinste. »Vinny war Italiener und ziemlich streng; als Offizier in der Air Force legte er großen Wert auf einen zackigen Haarschnitt. Butch hasste das, traute sich aber nicht aufzumucken, bis er sechzehn war.«
»Siebzehn«, sagte Butch. »Ich war in einem Musiker-Camp im Norden, hatte ein Stipendium gewonnen. Und als ich zurückkam, da hab ich mich strikt geweigert, sie wieder schneiden zu lassen. Vinny war mächtig sauer.«
»Erst recht, als du auch noch mit dem Demonstrieren angefangen hast«, sagte Arnie.
»Er hat’s überlebt«, sagte Butch. »Aber egal, als ich achtzehn war, nannte er mich plötzlich ›Butch, die Kampflesbe‹. Wollte mich aufziehen wegen der langen Haare. Die Jungs haben es gehört, und seitdem heiße ich eben Butch.«
»Haben Sie Kinder?«, fragte Arnie.
»Zwei«, sagte ich, bemüht, halbwegs fröhlich auszusehen. »Ein Junge und ein Mädchen.«
»Wir haben zwei Mädels«, sagte Arnie. »Sie sind mit meiner Frau nach Disneyland gefahren.«
Phil genehmigte sich einen kräftigen Schluck Bier. »Wie kommt ’ne Frau dazu, ganz allein jagen zu gehen?«
»Ich jage eben gern«, erwiderte ich. »Ich bin auch damit groß geworden. Hab gelernt, Spuren zu lesen.«
»Ziemlich kraftraubende Methode«, sagte Phil. »Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Hintern nicht lieber auf ’nem hübschen, beheizten Hochstand parken, wo Sie ’nen Liebesroman lesen können?«
Ich lächelte süß. »Das überlass ich lieber euch Weicheiern aus der Stadt, Phil.«
»Sind Sie nicht ein bisschen großmäulig?« Er lachte.
Ich starrte ihn an. »Nein, Phil, ich bin gut.«
Er lachte wieder, aber es war halbherzig, und er ging an die Bar, um sich noch ein Bier zu holen.
»Nehmen Sie’s ihm nicht übel«, sagte Butch. »Im Grunde ist er ein netter Kerl, lässt nur manchmal den Macho raushängen.«
Dann meldete sich Cantrell zu Wort. Jetzt, wo der Pächter seine Jacke abgelegt hatte, sah man seinen drahtigen Körper. Bestimmt hatte man Mühe, im Wald mit ihm Schritt zu halten. Cantrell hieß uns alle noch einmal willkommen und stellte uns die beiden Fremden vor: Tim Nelson und Don Patterson, unsere Jagdführer.
Nelson lehnte am Kaminsims und begrüßte uns herzlich. Er war über vierzig. Der kalte Wind hatte seiner Haut geschadet. Den muskulösen Unterarmen nach zu urteilen, die aus seinem braunen Henley-Hemd ragten, hatte er den größeren Teil seines Lebens auf dem Bau zugebracht. Cantrell sagte, Nelson habe drei Jahre am Stück für Metcalfe gearbeitet und kenne sowohl die Gegend als auch die Tiere gut. Er war der Jagdstratege.
Don Patterson hatte einen hellen Teint und spärliche blonde Barthaare. Auch seine Gesichtshaut war hell. Ich konnte kaum glauben, dass er schon Ende zwanzig war, über einen Magisterabschluss in Biologie verfügte und auf fünf Jahre Erfahrung als Jagdführer in Alberta zurückblickte. Patterson, sagte Cantrell, verfüge über eine geradezu unheimliche Fähigkeit, Spuren zu lesen und verstreute Informationen zu einem zusammenhängenden Muster zusammenzubringen. Daraus ließe sich dann der Weg eines Hirsches nachzeichnen, bis man ihn aufgespürt hätte.
Anschließend erzählte uns Cantrell die Geschichte des Reviers, in dem wir uns befanden. James Metcalfe hatte das 90000 Hektar große Stück Land 1954 erworben und von Anfang an einen beständigen Wildbestand darin gefunden. Doch Metcalfe
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