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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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fragte ich und ärgerte mich über den hysterischen Unterton in meiner Stimme. »Sie sagten, sie würden hier sein.«
    »Was weiß ich«, knurrte er.
    »Das reicht mir nicht«, antwortete Griff.
    »Tja, das muss es aber!« Er schlug mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. »Vielleicht konnte ihr Flugzeug nicht starten, weil der Wind sich gedreht hat und stärker geworden ist. Vielleicht sind sie schon draußen und sehen sich um.«
    Als ich aus dem Fahrzeug stieg, machte Arnie gerade Fotos von Butch, der das Geweih eines großen Hirsches hochhielt.
    »Wahnsinn, der hat ja sechzig Zentimeter zwischen den Stangen«, rief Phil.
    »Eher fünfundsechzig. Stattlicher Bursche, was?«, entgegnete Nelson. »Die Rosenstöcke sind fünfzehn Zentimeter dick. Der geht ins Rekordbuch, keine Sorge.«
    »Ich mach mir keine Sorgen.« Butch grinste. Sein Blick war so glasig und glücklich, dass ich kurz dachte, er sei bekifft. »Ich hab’s geschafft, dafür bin ich hergekommen.«
    »Dabei haben wir noch über ’ne Woche Zeit«, sagte Arnie berauscht. »Wer weiß, was noch alles passiert?«
    »Ich hatte noch immer keinen maßgeblichen Hirsch im Visier, nicht mal annähernd«, beklagte sich Phil.
    Nelson klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. »Das kommt noch. Die Brunft hat ja erst angefangen. Noch sind die Böcke nicht am Durchdrehen. Ihr Platz ist gut. Lassen Sie sich Zeit.«
    Ein paar Meter weiter stand Earl und starrte auf den schmächtigen Hirsch, den er erlegt hatte. Lenore kehrte ihm den Rücken zu und ging.
    Cantrell gratulierte beiden Männern überschwänglich und stapfte dann über den Hof auf das Blockhaus zu. Ich war auf dem Weg zu meiner Hütte, als ich im Licht der offenen Küchentür sah, wie Sheila vors Haus trat und sich die Hände an der Schürze abtrocknete. Sie nahm ihre Brille ab und putzte sie, während sie und Cantrell gedämpft miteinander redeten. Sie wirkte angespannt. Ich muss mit Sheila reden, dachte ich.
    Ich war schon fast an der Hütte, als Kurant mich einholte. Er war vom Laufen außer Puste. Eiszapfen hingen ihm im roten Schnurrbart. »Na, hatten Sie Glück?«
    »Dieser Hirsch ist einfach zu schlau für mich«, log ich. »Und wie steht’s mit den Fotos?«
    »Ich hatte einen richtig schönen Hirsch vor der Linse, doch als ich ihn knipsen wollte, streikte die Kamera. Zu kalt.«
    »Ich hab Handwärmer in der Hütte, die können Sie um die Kamera herumwickeln«, sagte ich. »Ich bring sie zum Abendessen mit.«
    »Das wär klasse!«, sagte er vergnügt. Er lächelte wieder und ging durch den Schnee davon. Er war eigentlich gar nicht so übel, fand ich, auch wenn er sich ins Camp eingeschmuggelt hatte.
    Verglichen mit Earl und Lenore war er sogar richtig nett. Ich muss es schon deshalb erwähnen, weil mir zugegebenermaßen die Art gefiel, wie er sich bewegte. Sein fast zarter Gang erinnerte mich an Kevin.
    Im Nachhinein fällt mir auf, dass ich Kevin Walker zunächst deshalb so anziehend fand, weil er anders war. Wir lernten uns im Frühling meines ersten Jahres am Massachusetts Institute of Technology auf einer Party kennen. Ich war einsam; im Herbst davor war Katherine gestorben; seitdem hatte ich meinen Vater nicht mehr gesehen. Kevin war ein Jahr älter als ich, studierte Englisch in Harvard und war der Sohn eines angesehenen Bostoner Investment Bankers. Er hatte glattes blondes Haar, war groß und schlaksig, fast weiblich gebaut und konnte sich deshalb modische Klamotten leisten. Bei unserem ersten Gespräch prahlte er, dass er die Großstadt brauche wie der Fisch das Wasser.
    »Alles, was außerhalb von Boston oder Manhattan liegt, ist doch tiefste Provinz«, tönte er.
    »So was Blödes hab ich noch nie gehört«, entgegnete ich.
    Kevin runzelte die Stirn. Er war so daran gewöhnt, von Frauen angehimmelt zu werden, dass er jede Herausforderung aufregend fand.
    »Magst du keine Großstädte?«, fragte er.
    »Ich komme mir darin vor wie im Dschungel«, sagte ich. »Ich bin aus Maine.«
    »Maine? Du Ärmste«, sagte er. »Dann werd ich dich eben herumführen müssen. Niemand kennt sich besser im Bostoner Großstadtdschungel aus als ich.«
    »Ich glaube, du willst mir nur an die Wäsche«, sagte ich.
    Er lachte laut. »Tja, das auch.«
    Fast hätte ich ihn stehen lassen. Aber Kevin besaß dieses gewisse Etwas, diese geübte Lässigkeit, als hätte er wirklich den Durchblick. Er war anders als die Jungs, mit denen ich in Maine zusammen war. Doch was das Wichtigste war: Sein Weltverständnis

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