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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Fliegen.
    »Hi«, sagte ich.
    »Hi, Diana«, sagte sie zerstreut. Wieder dieser konfuse Gesichtsausdruck. Sie hielt die unfertige Fliege in die Höhe. »Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, welche Haare ich benutzen soll.«
    Meine Mutter hatte, seit ich denken konnte, immer die gleiche Art Köderfliege geknüpft, aus Elchhaar. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich.
    Katherine legte die Fliege auf den Tisch zurück und starrte sie durchs Vergrößerungsglas an. »Ich werde neuerdings vergesslich«, sagte sie schlicht. Meine Mutter war siebenundvierzig. Sie war bekannt für ihr gutes Gedächtnis und konnte ein Dutzend Gesetzesvorlagen in allen Einzelheiten auswendig heruntersagen. Vergesslichkeit passte so gar nicht zu ihr.
    Nach mehreren ergebnislosen Tests in Bangor fuhren wir nach Portland und schließlich in die Leahy Clinic in Boston. Drei Tage später kam das Urteil: Katherine zeigte alle Anzeichen einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung. Meine Mutter verlor langsam den Verstand.
     
    Ich erwachte um vier Uhr morgens. Tränen liefen mir über die Wangen, als ich mich daran erinnerte, wie stoisch sie die Nachricht aufgenommen hatte. Sie hatte sogar scherzhaft bemerkt, dass Zeitungskolumnisten nun zu Recht behaupten könnten, die Arbeit der Parlamentarier »könne man vergessen«. Einen Monat später fand ich Katherine jedoch in ihrem Schlafzimmer sitzen und abwesend auf das regennasse Fenster starren.
    »Was hast du?«, fragte ich und kämpfte mit den Tränen.
    »Ach, nichts«, erwiderte sie. Sie rollte mit den Fingern den Stoff des Bettüberwurfs zusammen. »Ich dachte nur gerade, dass ich dich oder deinen Vater oder unsere Welt hier um keinen Preis vergessen möchte.«
    Jetzt war es an mir, sie in den Arm zu nehmen.
    Ich stieg aus dem Bett, zündete die Gaslampe an und duschte. Unter dem dampfenden Wasser kam mir der Gedanke, dass ich gewissermaßen das Gegenteil von meiner Mutter war. Sie hatte Angst, durch den Verlust ihrer Erinnerungen und Erkenntnisse ihrer Umgebung hilflos ausgeliefert zu sein, während ich befürchtete, durch die Überfrachtung mit Erinnerungen und Erkenntnissen in Hilflosigkeit zu erstarren.
     
    Eine Stunde später klopfte Nelson mit dem Löffel gegen seine Schüssel mit Hafergrütze. »Das Schneetreiben hat Gott sei Dank ein wenig nachgelassen«, fing er an. »Wir müssen damit rechnen, dass die da draußen die Gelegenheit nutzen und näher kommen, in der Hoffnung, uns eiskalt zu erwischen, genau wie Phil.«
    Nelson trug einen braun-weißen Tarnanzug und ein grünes Tuch um den Hals. »Wir tun also Folgendes«, sagte er weiter, »wir umzingeln sie, nehmen sie in die Mitte und ziehen den Kreis immer enger und enger, bis wir sie zu fassen kriegen.«
    »Wie groß soll der Kreis sein?«, fragte Griff.
    »Das ist das Problem. Mike sagt, keiner von uns geht allein. Wir bilden Teams. Jedes Team erhält ein Walkie-Talkie. Wir haben sechs davon. Sie haben eine Reichweite von etwa viereinhalb Kilometern, also bleiben wir innerhalb dieser Grenzen. Wenn wir sie beim ersten Versuch weder sichten noch ihre Spuren kreuzen, starten wir andernorts einen neuen Versuch.«
    Er holte uns alle an die Karte und zeigte auf den Quadranten nordöstlich von der Stelle, wo Phil angeschossen worden war, und südwestlich des Holzverladeplatzes, wo ich Patterson gefunden hatte.
    Wir hatten folgenden Plan: Phil und Arnie würden direkt am Blockhaus starten, eineinhalb Kilometer am Seeufer entlanggehen und dann nach Norden schwenken. Earl und Lenore würden etwa einen Kilometer weiter nördlich abgesetzt werden und sich nach Osten vorarbeiten. Cantrell, Sheila und Butch würden auf dem alten Holzarbeiterweg starten, Nelson und Theresa westlich des Holzlagerplatzes; Griff, Kurant und ich würden achthundert Meter in südlicher Richtung am Dream River entlanggehen und dann nach Westen abschwenken, auf einen riesigen Biberteich zu, der unser Treffpunkt sein würde.
    Die Angst ist ein schwelendes Feuer im Zwielicht eines regnerischen Morgens. Als wir mit unserer Ausrüstung in der Dämmerung aufbrachen, umfing uns ihr kränklich süßer Geruch.
    »Wie lange brauchen wir bis zum Teich?«, fragte Earl dumpf. Er kämpfte gegen einen mächtigen Kater.
    »Zweieinhalb, vielleicht auch drei Stunden«, sagte Nelson. »Aber lasst euch Zeit. Und jedes Team ruft mich im Viertelstundentakt an. Sobald ihr einen der Typen sichtet oder eine Spur findet, funkt ihr mich an! Alles klar?«
     
    Beladen mit fünfunddreißig Zentimetern

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