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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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gegen alles, woran ich glaube«, sagte er, als wir durch den Schnee zurück zu unserer Hütte stapften. Griff war noch bei Nelson geblieben, um mit ihm unsere Taktik für den kommenden Tag auszutüfteln.
    »Die Flinte ist nur zur Selbstverteidigung gedacht«, sagte ich.
    »Ach woher – Selbstverteidigung ist es nur, wenn wir hier auf dem Gelände bleiben. Ansonsten ist es Mord. Und so wie die Sache hier läuft – das wissen Sie so gut wie ich –, werden keine Gefangenen gemacht.«
    Ich sagte leise: »Ich kann so nicht denken.«
    »Ich werde dafür bezahlt, so zu denken.«
    »Sie kommen also nicht mit, morgen früh?«
    »Was bleibt mir denn anderes übrig«, sagte Kurant. »Es ist mein Job. Dass es so weit kommen würde, hätte ich nie gedacht. Ich stelle mir meinen Idealmenschen eben intellektueller vor, zivilisierter als …«
    »Der Jäger?«
    Er streckte trotzig das Kinn vor. »Genau.«
    »Und wenn Sie morgen Metcalfe oder wem auch immer begegnen, wie wollen Sie reagieren? Wollen Sie sagen, ›Sie dürfen mich nicht töten, ein zivilisierter Mensch hat so etwas nicht nötig‹?«
    »Sie sollen mich nicht belehren!«
    »Das hab ich nicht.«
    »Und ob«, widersprach er.
    Ich musterte seine undeutliche Gestalt in der Dunkelheit. Über eines würde ich mir heute Klarheit verschaffen. »Das wollte ich nicht.«
    Wir erreichten meine Hütte. Er blieb auf der Veranda stehen, während ich hineinging und eine der Lampen anzündete. Ich spürte, dass er hereinkommen wollte. Trotz meiner Erschöpfung war ich nicht abgeneigt. Im weichen, flackernden Licht erinnerte er mich an Kevin, zumindest an den Kevin von früher. Was passiert war, machte mir Angst. Ich hatte das Bedürfnis nach etwas Vertrautem, nach einem warmen Körper, an dem ich mich festhalten konnte. Darum geht’s doch, wenn wir miteinander schlafen, oder nicht – um Urvertrauen?
    Endlich sagte ich: »Kommen Sie rein.«
    »Gern«, sagte er.
    Er zog die Jacke aus und hängte sie an einen Haken über dem Holzofen. Dann stellte er die Flinte in die Ecke und setzte sich in den Sessel unter dem Hirschgeweih. »Sie überraschen mich.«
    »Warum?«
    »Weil Sie eine Frau sind. Trotzdem lehnen Sie das alles hier nicht ab.«
    »Was soll ich denn ablehnen?«
    »Diesen Lebensstil. Die Morde gehen damit doch Hand in Hand.«
    »Wenn Sie mich fragen«, sagte ich, »sind hier zwei Geisteskranke am Werk.«
    »Wirklich? Oder ist es nur die logische Konsequenz aus Ihrer rückständigen, barbarischen Erziehung?«
    »Sie sind schon fleißig dabei, Argumente für Ihren Artikel auszuarbeiten, wie ich sehe.«
    »Ich muss vorausdenken.«
    »Ich auch«, sagte ich, und die Vorstellung, dass er die Nacht in meiner Hütte verbringen würde, um sie dann in seine Chronik einzubauen, kühlte mich rasch ab. »Ich bin müde. Sie sollten jetzt besser gehen.«
    »Hab ich was Falsches gesagt?«
    »Ja.«
    »Das tut mir Leid«, sagte er sanft.
    Ich nickte. »Wie auch immer. Bitte gehen Sie jetzt.«
    Ich machte die Tür hinter ihm zu und seufzte. Vielleicht hätte ich körperlich kurz bei ihm Zuflucht gefunden, aber geistig war ich mit der Sache allein.
    Ich verriegelte die Tür und sicherte sie zusätzlich mit dem Stuhl. Dann löschte ich das Licht, trug das geladene Gewehr ins Schlafzimmer und stellte es in Reichweite an die Wand. Ich ging zu Bett und versuchte zu schlafen. Immer wieder fragte ich mich, ob er Recht hatte. War meine Kindheit ein Rückfall in die Barbarei? War meine Seele verdammt, weil ich in einer heidnischen Religion Halt suchte?
    Ich sank in einen unruhigen Schlaf, weinte im Traum. Katherine tauchte darin auf, wie ich sie in Erinnerung hatte, als ich fünfzehn war. Sie bettete meinen Kopf in ihren Schoß und streichelte mir übers Haar. Es war der Tag, an dem ich meinen ersten Freund verloren hatte, einen Fußballer namens Stan mit bemerkenswert grünen Augen und kraftvollen Beinen, der mich auf einer staubigen Bärenhaut in der Fischerhütte seines Vaters entjungfert hatte. Mit dem hormonverwirrten Verstand eines Teenagers glaubte ich fest, dass ich mich um die einzige Chance gebracht hatte, einen Seelenverwandten zu finden. Schluchzend gab ich meine Sorge an Katherine weiter, die mit Schmunzeln reagierte, was mir unbegreiflich war.
    Ich rannte in mein Zimmer, tief enttäuscht, dass sie so gefühllos sein konnte.
    »Jetzt beruhige dich«, sagte sie beschwichtigend, nachdem sie mir gefolgt war. »Ich hab doch nur gelacht, weil ich genauso reagiert habe, als mein erster Freund

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