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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Neuschnee, wirkten die Erlen am Ufer des Dream wie filigraner Schmuck aus Silber und Elfenbein auf einer Schwarzweißfotografie. Wo das Wasser tintenschwarz und reißend war, hatte sich noch kein Eis gebildet. Nur um die Felsbrocken herum waren Kristalle entstanden, unter denen das Wasser blau und durchscheinend hervorfloss wie eine Winterwolke vor einer Kaltfront.
    Während der Motorschlitten mit Nelson und Theresa an Bord zum vereinbarten Treffpunkt tuckerte, machte Griff sich allein auf den Weg. Er starrte auf den Fluss. Wahrscheinlich betete er. Auch ich hatte auf meine Weise kurz Andacht gehalten, ehe ich die Hütte verließ.
    Wir waren langsam den Holzarbeiterweg entlanggefahren. Ich saß vorn und hielt den Kopf aus dem Fenster, auf der Suche nach Spuren. Hirsche und Elche hatten ihre Trittsiegel hinterlassen, aber den Abdruck eines Menschen, der darauf hingewiesen hätte, dass Metcalfe oder wer immer es auf uns abgesehen hatte, sich in unserem Quadranten bewegte, entdeckte ich nicht. Ein Teil von mir – der Teil, der überleben wollte – war darüber erleichtert.
    Kurant legte mir die Hand auf den Arm. »Tut mir Leid, dass ich Sie gestern genervt habe. Ich dachte nur, da wär was zwischen uns.«
    »Dem ist aber nicht so«, sagte ich. »Wir haben nur Angst. Da kommen gern mal falsche Gefühle auf.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Was ist schon fair«, entgegnete ich. »Wir haben eine schwierige Aufgabe zu bewältigen. Romantische Gefühle sind da fehl am Platz.«
    Er sah mich an wie eine Fremde, die er in einem Flugzeug kennen gelernt hatte. Was ich auch war. »Na schön. Dann viel Glück.«
    »Ihnen auch.«
    Das Walkie-Talkie an meinem Gürtel krächzte, und ich sah Griff langsam auf uns zukommen. Schwere Tränensäcke hingen ihm unter den Augen. Ich wollte gerade etwas sagen, als das Funkgerät erneut krächzte.
    »Alle Mann in Position?«, fragte Nelson.
    Einer nach dem anderen meldete sich: Earl, Phil, Cantrell, ich.
    »Okay«, sagte Nelson, »dann schaut auf eure Kompasse. Behaltet euch im Auge. Bewegt euch langsam. Haltet Kontakt.«
    Wir gingen etwa zwanzig Minuten parallel zum Fluss. Wir waren zu dritt, jeweils fünfzig Meter vom anderen entfernt. Ich bewegte mich in der Mitte. Kurant links von mir, Griff rechts. Eine Lücke in der Wolkendecke über uns gab den Blick frei auf einen gespenstisch blauen Himmel. Ein Windstoß, und noch mehr Blau kam zum Vorschein.
    Der böige Wind warf den Schnee vom dichten Gestrüpp. Klumpen davon lösten sich bei der leisesten Berührung. Die Bewegung und die leisen Geräusche des herabrieselnden Schnees hielten mich wachsam. Kurant zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Schnee von den Ästen rutschte. Er trug das Gewehr vor sich her, als sei es lebendig und unberechenbar. Bis jetzt hatte er nur beobachtet. Jetzt nahm er teil.
    Das Funkgerät rauschte. »Cantrell hier. Bis jetzt keine Spur von ihm.«
    »Ich kann fast nichts sehen«, hörte man Earl. »Der Schnee drückt alles nach unten. Dafür springt ’ne Menge Wild hier rum.«
    »Phil?«, fragte Nelson.
    Die Verbindung brach kurz ab, dann war er wieder da. »Noch nichts.«
    Ich nahm das Funkgerät aus der Halterung. »Wir sind am Dream River entlang nach Süden gegangen. Keine Spuren bis jetzt. In circa fünf Minuten schwenken wir nach Osten ab.«
    Ich pfiff Kurant und Griff und zog die topographische Karte heraus. »Drei Kilometer von hier liegt der Biberteich. Ich schlage vor, wir verteilen uns auf beiden Seiten dieses Zuflusses und arbeiten uns daran vor.«
    »Da drin wird’s eng werden. Haufenweise Rotweiden und Binsen«, sagte Griff.
    »Mir fällt aber nichts Besseres ein«, entgegnete ich.
    Er nahm mir die Karte aus der Hand und beugte sich darüber. Endlich nickte er. »Na schön, dann lasst uns aber näher zusammenrücken und in Sichtweite bleiben.«
    Kurant deutete auf den schmalen Sicherungsschieber hinter dem Abzug seiner Schrotflinte. »Wenn ich schießen will, muss ich erst den hier nach vorn schieben, stimmt’s?«
    »Das ist die Sicherungsvorrichtung«, sagte ich. »Die müssen Sie lösen, danach legen Sie an und drücken ab. Sie haben eine Halbautomatik. Fünf Schüsse.«
    Dann gingen wir weiter, den Hügel hinunter zum Zulauf. Wie Griff befürchtet hatte, kamen wir im Dickicht aus Erlen und Rotweiden im Flussgebiet nur noch kriechend voran. Um in Sichtkontakt zu bleiben, durften wir uns nicht weiter als fünfzehn Meter voneinander entfernen. Das Wild hatte während des Schneesturms häufig hier drin

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