Panik: Thriller (German Edition)
ihn los.
» Hey«, rief Cal dem Jungen zu. Er trat einen Schritt vor und hob die Hände in friedlicher Absicht. » Alles klar? Bist du verletzt?«
Wie war er hierher gekommen? Der Junge sah aus, als könnte er sich nicht mal aus einer nassen Papiertüte befreien, geschweige denn sich allein bis nach Norfolk durchschlagen. Irgendetwas stimmte hier nicht.
» Wir tun dir nichts«, sagte Cal und kam näher. Dann ging er neben dem Jungen aufs Knie. » Sag uns deinen Namen. Sag irgendwas, damit wir wissen, dass du keiner von denen bist, okay?«
» Der kleine Scheißer wird nicht reden.« Die Stimme drang aus der Hecke. Zweige knackten, dann waren schwere Schritte zu hören. Cal überlief ein eiskalter Schauer, als sich eine doppelläufige Schrotflinte durch das Loch im Zaun schob. Der Typ, der sie trug, war etwa um die zwanzig. Ein zotteliger Bart verdeckte sein schmales Gesicht. Er trug eine grüne Arbeitsjacke über einem weißen T-Shirt. Der Typ hob die Waffe und richtete sie direkt auf Cal. » Keine Bewegung, sonst blas ich dir die Rübe weg.«
Cal trat mit erhobenen Händen zurück. Er spürte, wie Brick neben ihm kurz die Muskeln anspannte und sich zur Flucht bereitmachte, bevor er sich es offenbar anders überlegte. Der Mann kam näher und schwenkte die Waffe dabei hin und her. Schließlich stellte er sich neben den Jungen und warf ihm einen Blick zu, bei dem dieser sich sofort verdrückte.
» Kommt her«, rief der Typ mit der Knarre. Wieder ein Rascheln, dann erschien ein Mädchen. Ihr Haar war fast so rot wie die Ringe um ihre Augen. Hinter ihr quetschte sich ein weiterer Junge durch die Zaunlücke. Er war ungefähr in Cals Alter und etwas übergewichtig. Beide sahen ihn flehentlich an: Hilf uns.
» Und jetzt erklärt mir mal, warum ich hier bin«, sagte der Mann und stieß das Gewehr wie einen Speer durch die Luft. » Warum versucht jeder auf diesem beschissenen Planeten, mich umzubringen? Und warum seid ihr in meinem Kopf und macht mich ganz irre?«
Cal hob die Hände. Als er einen weiteren Schritt zurück machte, stolperte er über den Schutt am Boden.
» KEINE BEWEGUNG , hab ich gesagt«, bellte der Mann. Sein Finger lag am Abzug. Cal sah, wie sich die Knöchel weiß färbten. Wenn der Typ jetzt nieste, würde er ihre Gehirne über die Wand der Aua-Station verteilen.
» Jetzt mal ganz ruhig, Mann«, sagte Cal. Seine Stimme zitterte so stark, dass er kaum zu hören war. » Wir werden dir nichts tun.«
» Da hast du verdammt recht«, sagte der Mann und kam weiter auf sie zu. Der Lauf der Flinte starrte sie wie ein dunkles, lidloses Augenpaar an. » Wie viele seid ihr?«
Brick und Cal sahen sich an.
» Wie viele?«, wiederholte der Mann.
» Fünf«, platzte Cal heraus. » Einer ist verletzt.«
» Wo?«
» Da drüben«, sagte Cal und deutete mit dem Kopf über seine Schulter. » Im Pavillon.«
» Fettsack, durchsuch sie.« Der dicke Junge rührte sich nicht. » Los!«, brüllte der Mann. Der Junge zuckte so heftig zusammen, dass sein Bauch unter dem T-Shirt wackelte. Er trottete zu Cal und Brick hinüber und flüsterte leise eine Entschuldigung, als er sie abtastete. Dabei hielt der den Blick immer auf den Boden gerichtet. Als er fertig war, trat er schnell zur Seite.
» Nichts«, sagte er mit leiser Stimme.
» Okay, dreht euch um und marschiert los«, sagte der Mann. » Ihr bringt mich jetzt zu den anderen. Hände über den Kopf.«
Cal gehorchte widerstrebend. » Was willst du?«, fragte er. Er hatte keine andere Wahl, als dem Typen den Rücken zuzukehren.
» Antworten«, sagte der Mann. » Beweg dich, sonst bist du tot, bevor du den Boden berührst, das schwöre ich.«
Cal ging den Weg zurück, den sie gekommen waren. Er hatte die Hände auf die Haare gelegt. Brick marschierte neben ihm her. Sein Gesicht war blass und traurig.
Das geht nicht gut aus. Dieser Gedanke traf Cal wie ein Blitz. Das war nicht nur Angst, das war eine Vorahnung. Jemand wird sterben.
Diese Worte klangen noch in seinem Verstand nach, als er aus dem Schatten trat und sich ein Schuss löste.
Rilke
Fursville, 11 : 22 Uhr
» Irgendetwas stimmt da nicht.«
Bei Daisys Worten sah Rilke von ihrem Bruder auf. Das jüngere Mädchen saß zusammengekrümmt auf einem Stuhl neben dem Sofa und zitterte. Sie waren jetzt schon seit Stunden hier, warfen eine Decke nach der anderen auf den kalten, reglosen Schiller und sortierten die Essensvorräte. Daisy hatte ein paarmal versucht, sich mit Rilke zu unterhalten, doch die war zu
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