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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Können, Daniel Nothafft, es geht ums Sein«, heißt es an der entscheidenden Stelle im »Gänsemännchen«. Was Wassermanns Frau der Lebensgeschichte noch an literarischen Betrachtungen anfügt, ist nicht sehr wesentlich. So unwesentlich wie alle aesthetischen Untersuchungen seines Werkes. Zweifellos ist die himmlisch unfertige »Renate Fuchs« ein besseres Buch als der blendend gemachte »Christian Wahnschaffe«, es gibt Fehlschläge, leere Seiten, Dinge in seinem Werk, die man nicht mag. Aber er gehört mit dazu. Er ist ein Stück unsres Lebens.
    Man hat ihm vorgeworfen, dass er, der Jude, deutscher sei als die Deutschen – sicher ist, dass er der deutschen Seele zu einem Ausdruck ihrer selbst verholfen hat, und dass er so weit fort ist von dem Deutschtum dieser Tage. Wie die dunkle Landschaft unter seinen Händen zu singen anfängt -! Wie Musik, Wälder, Maschinen, Bauernwirtschaft und steinerne Straßen aussagen, was sie sind, was sie ihm sind und was sie uns sind -! Er hat das Unsagbare gesagt, er ist das, was der Franzose »bourdon« nennt, die tiefe, große Kirchenglocke. Der ungeheure Fleiß dieses Mannes ist es nicht allein, der einen mit Respekt erfüllt (obgleich das heute, als eine Ausnahme, angemerkt zu werden verdient). Ich habe einmal die Geschichten aus den »Schwestern« mit dem Neuen Pitaval verglichen, dem der Stoff teilweise entnommen ist: welche Feinheit in der Verkürzung, welche unmerkliche Umgruppierung der Geschehnisse, Personen und Verknüpfungen – es ist Alles geblieben, und doch anders, doch geheimnisvoller, tiefer, menschlicher. Wie er nun gar das ungeheure Material des Caspar Hauser gemeistert hat, ist ein Rätsel, ein Wunder schon in der Bewältigung des quantitativen Stoffs. (Man weiß vielleicht, dass die Literatur über das aenigma sui temporis heute noch nicht eingeschlafen ist.) Durchtränkt von der Melodie, sehen wir seine Welt auf Schritt und Tritt. Man muß nur die Augen aufmachen. Einmal war er mir ganz nahe. Ich kam an einem Uhrmacherladen vorbei, draußen hatte der Inhaber seine Uhr aufgehängt, und statt der Zahlen hatte er die Buchstaben seines Namens um das Ziffernblatt herumgeschrieben; es waren genau zwölf, es ging grade auf. Der Mann hieß: JOHANNES QUAL.
    Und wie alle Bitterkeit im Schaffen aufgelöst ist, wie kein häßlicher Bodensatz zurückgeblieben ist in ihm! Die Frau spricht von seinen ersten Anfängen; Wassermann war damals, um sich ein paar Groschen zu verdienen, Sekretär bei Ernst von Wolzogen. So spricht er über ihn: »Es war der erste Mensch, der mich ermunterte, der erste überhaupt, der mich als Dichter uneingeschränkt ernst nahm, und das bedeutete für mich so viel wie Rettung und Erlösung.« Seitdem ist viel Blut die Marne heruntergeflossen, und bei Wolzogen liest mans in den Lebenserinnerungen, mit denen sich meines Wissens Westermann besudelt hat, ungefähr so: Ein kleiner schiefer Jude suchte mich damals viel auf – meine Frau öffnete immer das Fenster, wenn er gegangen war: es war Jakob Wassermann.
    Werk ist auf Werk gefolgt, unbeirrbar, unerschütterlich, mag der Wert hier und da geschwankt haben, hügelauf und hügelan ist der Mann sich gleichgeblieben. Der letzte große Wurf war: »Golowin«, die Novelle aus dem »Wendekreis«, mit dem unsterblich schönen und tiefen Nachtgespräch zwischen der russischen Frau und dem revolutionären Matrosen, in dessen Verlauf der Satz steht: »Haben – welch ein häßliches Wort! Was heißt denn haben, wenn nicht gegeben wird!«
    Es ist kein Wunder, dass in diesen Büchern der Traum eine so große Rolle spielt. Ich mißtraue dem literarischen Traum – in der Traumschilderung ist der Dichter unkontrollierbar, entzieht sich der Wertung und schlüpft immer hinter die Ausrede: es war ein Traum. Bei Wassermann ist Leben und Schlaf gleich traumhaft, die Grenzen sind dünnwandig, traumhaft der Rhythmus dieses einzigen Stils, von so viel Vätern befruchtet geht es immer wieder zum Vater hin. Es ist gut, wie in dem Büchlein die Vaterschaft Wassermanns herausgearbeitet ist – neben dem »Michael Kramer« ist er fast der Einzige, der abseits der weiten Mutter-Poesie den Vater fast schmerzlich betrachtet: den, ders gemacht hat, den, der dabeisteht, dem es aus der Hand wächst, der so gern umarmen möchte und Scheu hat vor Werk und Sohn.
    Er ist am Licht. Aber zu denken, dass hunderte und hunderte von Wassermanns sich im Dunkel quälen, sich mühen, untergehen, weil es nicht langt, oder weil sie nicht den

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