Panter, Tiger und andere
niederringen, es wird ihnen nicht gelingen. Nu wer’ck mal jehn, Löhnung empfangen!« Dixit. Das Soldatengespräch, dessen Charakteristikum war, dass immer einer sprach und drei nicht zuhörten, niemand hörte zu, sondern jeder redete seins, der eine hier lang, der andre da lang… In welchem Buch steht das –?
Das Wesen der Offiziere: die Aktiven, mit denen man umgehen konnte, weil sie das Befehlen gewohnt waren und es ihnen kaum noch Spaß machte, so selbstverständlich war es ihnen geworden; die Kasinogespräche, die sich um Gehaltsfragen drehten, unermüdlich, wie eine Töpferscheibe: um Reglementsauffassungen, um Stunk und um Gehaltsfragen, zwitschernd unterbrochen von säuischen Witzen ältester Observanz; dazwischen die sehr klugen schmalen Köpfe des guten Adels und des I a (während der von III b schmutziger war als gerissen; du hast nicht überall gute Schüler gehabt, o Nicolai!); die Reservebolzen, die alle militärischen Vögel der Welt in ihren Köpfen hatten, wo sie sie flattern ließen; die maßlose Wichtigkeit, die sie sich beimaßen, auf den Wogen des Lebens getragen von der Uniform und einem Zuchthausreglement … warum schreibt das keiner?
Alle haben es erlebt, viele haben es gesehen, manche könnten es schreiben. Man muß sie erzählen hören; wie das vor Echtheit tönt, wie es uns warm und kalt den Buckel herunterläuft; diese Freude, wenn zwei zusammenkommen und in drei Worten, einer kopierten Geste, sich als solche legitimieren, die das Typische erkannt haben also nicht: »Da hatten wir einen Feldwebel, der…« sondern, merkwürdig ruhig, unterirdisch, noch nicht grollend: »Machen Sie mal den Knopf zu!« – warum schreibt das keiner?
Weil die Deutschen alles, alles sehen, nur eins nicht. Nur das Einfache nicht.
Arnold Zweig unsern Gruß! Sein Buch ist voll wärmster Güte und voller Mitgefühl, voller Skeptizismus und voller Anständigkeit, voller Verständnis und oft voller Humor. Sanft hat er das getan, was im November durch die Schuld und das Unverständnis der Arbeiterführer versäumt worden ist: er hat einem seelenlosen Götzen die Achselstücke und die Knöpfe abgetrennt, nein, sie fallen von selbst ab, so gleichgültig sind sie ihm, und nackt und dumm steht das Ding da und glotzt mit blinden Augen in die Welt. Keine Sorge, die »Tradition« wird es schon wieder mit rauschendem Leben anfüllen und mit Blut. Mit dem Blut der andern.
Dieser »Streit um den Sergeanten Grischa« ist ein schönes Buch und ein Meilenstein auf dem Wege zum Frieden.
1927
Jakob Wassermann und sein Werk
»Es ist wahr«, erwiderte Angelus, »ohne zu sehen, bist du gegangen, ohne zu wissen, hast du gehandelt, Keinem hast du vertrauen dürfen.«
Renate Fuchs
Die Frau Jakob Wassermanns, Julie Wassermann-Speyer, hat ein kleines Buch über ihren Mann geschrieben, das den Titel trägt: »Jakob Wassermann und sein Werk« (und im Deutsch-Österreichischen Verlag zu Wien erschienen ist).
Schopenhauer hat einmal gesagt, man solle jedem Buch das Bildnis des Verfassers voransetzen, und es ist ja auch wahr, dass uns bei großen Männern das Menschliche ungeheuer nahegeht: wie sieht er aus, wie sah er als Kind aus, wie wohnt er, wo lebt er, was tut er am Tage? Das Beste an diesem Buch ist sein erstes Kapitel: das Leben Wassermanns.
Der kleine Abschnitt, der mit ein paar schönen Jugendbildern versehen ist, bestätigt, was die Bücher längst ausgesagt haben: Wie hat sich dieser Mensch gequält! Gequält mit sich, mit der Umgebung, mit dem Schicksal, mit Hunger, Kälte und Arbeitslosigkeit, mit dem Unvermögen, sich in die rohe Welt des platten Geldverdienens hineinzufinden und in die verlogene der unordentlichen Bürger mit der Samtjacke oder der Hornbrille – Qual und Unschlüssigkeit, Verzweiflung und Selbsthaß, Verlorenheit innen und Hohn außen. Der Lebensabriß hat etwas Erschütterndes.
Schichtweise hat sich das in den Büchern abgelagert; es wäre törichte Philologie, dem im Einzelnen nachzuspüren – man fühlt so oft den eigenen Herzschlag Dessen, der es schrieb.
Die seltsame Blutmischung, die in Wassermann lebt, hat sein Schicksal sicherlich beeinflußt: von Franken nach Wien, zwischen den beiden Nationen lebend und keiner gehörig, Deutscher und Jude, lebte er schutzlos, ohne Hülle, jedem Nadelstich und jedem Hammerschlag doppelt preisgegeben. Und setzt sich nach Irrfahrten, Enttäuschungen, verlorenen Schlachten und entsetzlichen Hungerjahren in Österreich fest.
»Es geht nicht ums
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