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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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er.« (Wobei zu bemerken wäre, dass der Wirt ein wilder Völkischer war.) Und dann fiel sein unzufriedenes Auge auf die großen Schneehaufen, die dort aufgehäuft waren. »Ick frahre nur: wo bleiben da die Arbeitslosen, frahre ick!« Und dann ging er zu etwas anderm über.
    Einmal machte ich die Probe und bat ihn, alles zu sagen, was ihm zu dem Thema »Berliner Chauffeur« einfiele. Er sprach, und ich stenographierte; die Bogen liegen noch vor mir. »Wenn se schon so uff die Uhr gucken, denn weiß ick, det sie sinn ausjemist! – Die sagen, ick hätte mir mit jestohlnen Benzin bereichert – det war aber meine Schwester ihre Beßiehung!« (Hierbei wie im folgenden ist besonders das schöne Schriftdeutsch zu beachten, das man im Berlinischen sehr häufig antrifft.) – »Nee, eene Person – det jeht heite nich. Da hab ick ja mehr Polster als Fahrjeste! Mein Motor ist doch keen Badeofen!« – »Wenn ick stehe, und wart, denn will mir keener ham. Aber kaum det ick mal ‘ne Bockwurst essen due, denn kommse an!« – Und nun, mit dem ganzen Berufsstolz des alten Fahrers: »Der Mann hat auf Doktor studiert, die Eltern ham sich was zusammenjescharrt, und nu denkt der Mann, er kann mir belehren. Auf keine Art kann er das. Niemals! sage ich zu den Herrn. Ick unterstelle mir, das frühestens zu konschtatiern. Die Herrnfahrer, wo nie jearbeitet ham – mitn Anlasser fahrn se, die feinen Herrn; watn richtcher Schofföhr is, der braucht seine Bremse nich – der richt sich ein! Man muß ehmt mit Jefühl schalten! Sone Maschine, det isn Orjanismus. Aber der – Hat mal rumjespielt an de Klingelleitung… nu meint der, er kann faahn … !« Und dann kam eine ganz wilde Geschichte aus dem intimsten Familienleben. »Wenn ick ahms nach Hause komme, denn stellt mir meine Braut imma die Milch ant Fensta – da ist son kleenet Jitta. Der Wirt hat jesacht, sie hätte ‘n Vahältnis mit Athua.« Entrüstetes Schnaufen. »Det is ja nischt wie Neid von den Mann!« Und das alles ganz langsam und ruhig, ohne die leiseste Überlegung, mühelos.
    Das Allermerkwürdigste aber war, dass der Mensch noch etwas anderes sprechen konnte, bis zur Täuschung genau; wenn man die Augen schloß, sah man sie vor sich: die dicke, bewegliche, geschwätzige Frau aus dem Mittelstand des Berliner Westens. Dann nahm seine Stimme eine etwas kreischende Färbung an, er plapperte wie ein Papagei, der Redestrom floß über alle Ufer, hemmungslos, wie die Sintflut.
    »Meine hat gestern wieder zwei Teller zerschlagen, von den guten. Nimmst du Eier in die Bouillon? Ich lasse sie nie allein mit den Eiern wirtschaften. Neulich…« Aber nun kam wirklich ein Dienstmädchen ins Zimmer, durchaus real und gleichgültig. Der Satz war wie mit der Schere abgeschnitten. In einem lächerlich gezierten und unnatürlichen Ton: »Die Butter wird ja jetzt auch immer teurer. Wir zahlen… Was zahlst du … ?« Und, kaum war das Mädchen heraus: »Stiehlt deine –?«
    Ich besinne mich noch sehr genau, wie wir einmal einen Kranken besuchten, der lag am Blinddarm danieder und hatte eine große Eisblase auf dem Bauch, er mußte ganz still liegen. Das erste Wort beim Entree lautete so: »Guten Tag! Hast du dir nicht den Blinddarm rausnehmen lassen? Jenny hat gesagt, sie läßt bei ihren Kindern sofort den Blinddarm rausnehmen! Bei Israel… !«
    Der Kranke fiel fast aus dem Bett, die Eisblase verrutschte, und wir mußten jenen hinaustun. Noch im Korridor hörten wir ihn schwabbern: »Wenn du mal ‘ne billige Quelle für Krepteschichn hast…«
    Ich habe so etwas niemals wiedergesehn. Es gibt in der gesamten deutschen Literatur eine einzige Figur, die so berlinisch ist: das ist der Portier Quaquaro aus Hauptmanns »Ratten«, diesem berlinischsten Stück, das in einem völlig verfehlten Dialekt geschrieben ist, in einem Jargon, den es überhaupt nicht gibt, und in dem doch das ganze Herz dieser Stadt schlägt. Der hat das auch: die filzenen Schuhe, den Bauch, die Mischung von Roheit, Sentimentalität und Kleinbürgertum, die Ruhe weg… »Immer anzeijn, Herr Doktor, immer anzeijn …« Man riecht den Burschen.
    Der Bankbeamte ist nicht imstande, einen guten Brief zu verfassen. Er »labert« das so vor sich hin, wie die Schlesier sagen, denkt sich vielleicht sein Teil dabei…
    Und ich höre immer noch die rauhe, etwas kehlige Stimme, mit der er einmal in der Siegesallee sagte: »Ick bin jewiß in meine Jewerkschaft als radikaler Mann bekannt. Aber wenn ick det hier allens so ansehe, da

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