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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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kochen. Sobald die Würsten gekocht sind, wirft darauf die geschüttelten Eier und nachdem diese gerinnt sein werden, schickt die Speise ganz warm auf den Eßtisch.« Das war ein merkwürdiger Vorgang.
    Der ist aber gar nichts gegen das am Bratspieß geröstete Lamm.
    »Der am Bratspieß geröstete Lamm. Nimmt ein ¼ Lamm« (man beachte die Subtilität der Gewichtsangabe!); »laßt ihm einige Stunden lang mit öhl, Pfeffer, Salz oder einem Tropfen Essig ausruhen. Durchbohrt ihm da und dort mit einer Messerspitze. Zieht ihm auf den Brandspieß mit einem Ästchen Rosmarin, und schmiert ihm öfters mit der obgenannten Flüssigkeit, bis er gekocht ist. Bevor ihn zu servieren nimmt das Ästchen Rosmarin weg.« Ob es Hammelbraten wird, was da herauskommt, ist eine andre Frage; aber es ist sicherlich die tierfreundlichste Art, ein Lamm zu braten. Nie noch hat ein Koch daran gedacht, ein Lamm bei solcher Prozedur ausruhen zu lassen.
    So blättere ich und lerne die »Embleme der Farbe«, zum Beispiel: »Dunkelpomeranzenfarbig: Genugtuung, Ruhmlieben«; kluge Sätze allgemeingültiger Lebenserfahrung: »Der Mensch spinnt an, der Zufall webt«, und am allerschönsten ist es, wenn ich überhaupt nicht mehr weiß, was gemeint ist. Dann leuchtet die deutsche Sprache wie der Mond hinter den Wolken hervor, und ich denke darüber nach, ob wir Vollmond haben oder Mittelmond oder Jungmond; es ist ein Deutsch wie frisch aus dem Lexikon, die einzelnen Wörter gibt es, aber es ist keine Sprache. Nun, laßt uns hier nicht von der modernen und mondainen Literatur sprechen, sondern im bescheidenen Kalender aus Locarno blättern – denk du an deine Liebe, ich denk an meine, und beherzigen wir den Spruch auf Seite 22, links unten:
    »Liebe ist nicht ohne bitter.« Wem sagt der Kalender das!
    1928

Das Sprachwunder
    Der seltsamste Mensch, dem ich in meinem Leben begegnet bin, ist ein Bankangestellter aus der Provinz Brandenburg gewesen, ein geborener Berliner. Dieser Mann war ein Dichter, ohne ein Wort schreiben zu können.
    Schon die Fähigkeit, eine Figur auf die Beine zu stellen und sie ihre Sprache sprechen zu lassen, ist nicht sehr verbreitet. Dieser rätselhafte Bursche aber entwickelte seine Figuren aus der Sprache, und zwar aus der berlinischen. Die Bank hatte kleine Leute zu Kunden, vielleicht hatte von da sein Ohr die letzten Schwingungen des Tones aufgefangen, jene feinsten Nuancen, die nie ein Fremder trifft – aber er erzählte keine Berliner Witze, er erfand Leute, ließ sie ein paar Minuten leben und sprach dann von etwas anderem, als seien sie nie gewesen.
    Vor allem konnte er sich in den gehobenen, organisierten, etwas kleinbürgerlichen Berliner Arbeiter verwandeln. So stand er etwa an einem imaginären Telephon und war der Telegraphenarbeiter, der den Apparat kontrollierte. Das Gemisch von technischem und privatem Gerede war kostbar. »Jehm Se mah die Leitung B, Frollein!« Pause. »Ja, hier Schmorrke, Bautrupp III. Frollein, wie is die Vaständjung? Nein. Ja. Franz, bist du da?« (Jetzt sprach er mit einem Kollegen und riskierte eine kleine Privatunterhaltung, übrigens ohne den Ton zu wechseln, diesen etwas mürrischen, trockenen, dussligen Ton.) »Ick jehe von hier direkt in de Bamberjer Straße. Nein – is aledicht. Hast du mit Rabener jesprochen, wejn die Picke? Wir wahn jestern in seine Laube – die Bohnen komm janz jut. Ick weeß nich, meine wolln nich wern. Nein, hier Störungssucher. Leitung A, Frollein…« auf diese Art.
    Er hatte das Berliner Tempo weg, aber nicht jenes falsch-amerikanische, mit dem so viel Unfug getrieben wird, sondern dieses ruhige, fast behäbige in aller Hast, das Pathoslose, er war der Mann mit dem hängenden Hosenboden, der mit zwei Kameraden an der Ecke steht, einer erzählt eine endlose Geschichte, die nie aufhört, und kein Aas hört zu. Und er saß um einen runden Stammtisch herum, wieder erzählte einer, und mitten drin, grade an der Stelle, auf die der Erzähler den größten Wert legte, zog jener sein Zigaretten-Etui heraus und sprach: »Paul hat welche ohne Banderole…«, was gleichermaßen die ganze Umwelt ignorierte und eine gewisse neidische Bewunderung für Paulen ausdrückte.
    Einmal, im Winter, stand er nachdenklich vor dem Haus, in dem ich damals wohnte, es war spät abends, und er sah an der Fassade empor und sagte langsam, ohne jeden Zusammenhang und völlig aus einem unterirdischen Gedankengang heraus: »Machen laßt er nischt, der olle Jude. Aber Miete nehm, det kann

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