Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
dann langsam in Bewegung, die Hände tief in den Taschen vergraben. Ich lasse ihn nicht aus den Augen, bis er am Ende des Grindelhofs meinem Blick entschwindet. Dann fange ich an zu heulen. Und ich weiß ehrlich nicht, warum. Freddy sitzt auf dem Nachttisch und sieht ebenfalls ganz melancholisch aus. Aber wahrscheinlich hört er einfach gerade ein besonders trauriges Lied.
Am nächsten Tag fühle ich mich elend. Schlafen konnte ich nach Freds Abgang nicht mehr, und so sitze ich ziemlich übermüdet im Büro und rede mir ein, dass die depressive Stimmung und latente Übelkeit Nachwirkungen von der Überdosis Schlafmittel sind. Obwohl sie rein pflanzlich waren und angeblich keine Nebenwirkungen bekannt sind. Trotzdem bin ich total unkonzentriert und muss mich schwer zusammenreißen, nicht unkontrolliert loszuheulen. Dabei bin ich doch gar nicht traurig. Sondern wütend. Auf Fred, diesen Mistkerl. Aber noch ein bisschen mehr auf mich selbst, dass ich mich überhaupt wieder mit ihm eingelassen habe. Dass ich auf ihn reingefallen bin. Bloß weil er ein bisschen nett zu mir war? Weil er mir einen Teddy geschenkt und bei meinem Lieblingsfilm geheult hat? So weit ist es mit mir gekommen. Offensichtlich bin ich tatsächlich so verzweifelt auf der Suche, dass mein Urteilsvermögen deutlich verschleiert ist. Ich versuche, mich durch Arbeit abzulenken, bringe aber keinen klaren Gedanken zustande. Deshalb vertreibe ich mir die Zeit mit Solitär und öffne schnell ein anderes Bildschirmfenster, wenn jemand an meinem Schreibtisch vorbeigeht. So kriege ich den Vormittag ganz gut rum, meine Nerven beruhigen sich allmählich. Bis mein Handy klingelt und einen Anruf von meiner Schwester ankündigt. Die hat mir gerade noch gefehlt. Am liebsten möchte ich sie wegdrücken, aber dann quatscht sie mir bloß die Mailbox voll und ich muss sie heute Abend trotzdem zurückrufen. In meiner Freizeit. Nein, lieber jetzt gleich.
»Hallo Emma.«
»Hallo! Gut, dass ich dich erreiche. Du glaubst nicht, wie gestresst ich bin.«
»Tatsächlich?«
»Eine Hochzeit vorzubereiten ist ein echter Fulltime-Job«, stöhnt sie.
»Du Arme«, sage ich gerade so ironisch, dass ich selbst es verstehe – aber Emma natürlich nicht.
»Das kannst du laut sagen.«
»Du Arme«, wiederhole ich lauter. Diese dumme Nuss.
»Sehr witzig, Franzi, wirklich. Aber ich habe keine Zeit für dumme Scherze.«
»Ich habe auch nicht viel Zeit. Ich habe nämlich ebenfalls einen Fulltime-Job.«
»Dann würde ich vorschlagen, dass du unser beider Zeit nicht mit blöden Witzen verschwendest.«
Ich spüre, wie meine Halsschlagader zu pochen beginnt. »Also, was willst du?«
»Du scheinst vergessen zu haben, dass die Hochzeit in weniger als einem Monat stattfindet.«
»Wie könnte ich das vergessen, Schwesterherz?« Schlie ßlich findet sie an meinem Geburtstag statt.
»Dir ist offensichtlich nicht klar, was ein solches Fest für Vorbereitungen verlangt. Man muss tausend Dinge planen.«
»Aha.«
»Zum Beispiel die Tischkärtchen. Und du hast uns noch immer nicht gesagt, wie dein Begleiter denn nun heißen wird. Falls du wirklich einen hast.«
»Selbstverständlich habe ich einen.«
»Oh. Das freut mich. Und wie heißt er?«
»Er heißt …«
Tut – tut – tut.
Kapitel 13
Was blieb mir anderes übrig? Eigentlich habe ich gar nicht wirklich drüber nachgedacht, mein Daumen hat sich verselbständigt und die Verbindung unterbrochen. Hektisch stelle ich mein Telefon komplett aus, werfe es in meine Tasche und greife nach meiner Jacke. Dann setze ich eine Leidensmiene auf und melde mich bei meiner Chefin krank. Zum Glück lässt sie mich ohne weitere Nachfragen ziehen. Beinahe fluchtartig verlasse ich die Agentur und passiere dabei den Schreibtisch meiner Kollegin Anja, die gerade einen Anruf entgegennimmt.
»Guten Tag, Frau Martens«, höre ich sie sagen. Wild mit den Armen rudernd gebe ich ihr zu verstehen, dass ich nicht zu sprechen bin. »Tut mir leid, Ihre Schwester ist nicht im Hause. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
Mist. Verdammter Mist. Das Zeitfenster schließt sich in einer rasenden Geschwindigkeit. Dachte ich bis heute Morgen noch, ich hätte gut drei Wochen, um einen Begleiter für Emmas Hochzeit zu finden, sind es jetzt vielleicht noch drei Stunden. Wie lange bleibt ein leerer Handy-Akku glaubwürdig? In einer Stadt voller Steckdosen?
Von: Kai W.
Betreff: Danke
An: Franziska M.
Liebe Franzi,
bitte entschuldige, dass ich mich erst jetzt melde.
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