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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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hatte, konnte ich
Lucia nicht den ganzen Tag zur Seite stehen, was durchaus mal zu Konflikten
führte.
    »Ich verhungere«, rief sie mir regelmäßig grantig
aus dem Bett zu, während sie versuchte, die Mädchen zu stillen.
    »Ich schiebe dir ’ne Pizza in den Ofen«, rief ich
zurück. »Ich komme so schnell es geht wieder.«
    Dann radelte ich mit schlechtem Gewissen zum
Studio, wo mich zwei Mädchen aus Bergheim erwarteten, deren Nerzmantel tragende
Mütter ihnen eine CD -Produktion zu Weihnachten
geschenkt hatten. Von einer Hölle in die nächste.
    Bei meiner Rückkehr am Abend roch es schon im
Treppenaufgang nach Essen. Als ich die Wohnungstür aufschloss, sprang mir Lucias
Freundin Susi entgegen.
    »Deine Frau hat mich angerufen und gemeint, sie
könnte mal wieder einen Happen vertragen«, erklärte sie mir.
    »Ja, tut mir leid«, sagte ich zerknirscht. »Ich
hatte einen Job im Studio, den ich nicht absagen konnte, sonst hätte ich
natürlich gekocht.«
    »Natürlich hättest du das«, echote Susi mit
leicht ironischem Unterton, »jedenfalls kommst du gerade rechtzeitig zum
Essen.«
    »Ja, darin bin ich ziemlich gut«, sagte ich,
küsste Susi auf die Backe und lief an ihr vorbei ins Schlafzimmer zu meinen
Frauen.
    »Sorry, ist doch später geworden.«
    Lucia sah mich nur müde an. Die Kinder lagen
rechts und links neben ihr wie zwei gestrandete Robben.
    »Ich brauche jemanden, der mir im Haushalt hilft.
Ganztägig«, sagte sie. »Ich kann nicht immer nur stillen, wickeln und pumpen.
Ich muss auch mal essen, schlafen und mich duschen.«
    »Ja … natürlich«, erwiderte ich stockend.
»Aber ich muss einige Rechnungen bezahlen, da kann ich einen guten Job im Studio
nicht einfach so ausschlagen. Ich …«
    »Ich habe Prude angerufen«, unterbrach mich
Lucia. »Sie kommt morgen früh mit Herrn Selva an.«
    »Was?«
    »Lassen Sie mich mal bitte raus?«, fragt der
Cowboy neben mir, offenbar leicht genervt, weil er seine Frage wiederholen
muss.
    Die Maschine ist inzwischen gelandet, und alle
Passagiere außer mir stehen mit eingezogenen Köpfen in den Gängen und vor ihren
Sitzen und warten darauf, dass die Stewardessen die Türen öffnen.
    Ich lasse meinen Sitznachbarn vorbei und setze
mich wieder hin, diesmal auf seinen Platz. Während ich zusehe, wie die Maschine
angedockt wird, muss ich wieder an meine erste Begegnung mit meiner
Schwiegermutter denken.
    Die Tatsache, dass Lucia ihre Mutter damals
anrief, war ein Zeichen äußerster Verzweiflung, ein SOS , die Ultima Ratio. Das bedeutete im Umkehrschluss allerdings
auch, dass ich es nicht geschafft hatte, mich neben meinem Job gut genug um
meine drei Frauen zu kümmern.
    Solange ich zurückdenken konnte, hatte Lucia nie
bei Prude angerufen und sie um irgendetwas gebeten. In den fünf Jahren, die wir
nun zusammenlebten, nicht ein einziges Mal. Natürlich telefonierten die beiden
ab und zu, doch stets blieb alles unverbindlich. Keine Versprechen, keine
Gefälligkeiten, keine Besuchsankündigungen. Bereits ein schlichtes Telefonat
konnte diverse Konflikte zwischen ihnen nach oben spülen, weshalb Lucia öfter
mal mitten im Gespräch auflegte. Kaum vorstellbar, dass Prude zur Deeskalation
unserer schwierigen Situation beitragen konnte.
    Lucia hatte mir nie viel von ihrer Mutter
erzählt, weshalb ich so gut wie nichts von dieser Frau wusste – bis auf die
Tatsache, dass sie sich in den dreißig Jahren, die sie in Deutschland lebte, nie
richtig heimisch gefühlt hatte. Dafür hatte sich ihr angeborener kastilischer
Stolz mit zunehmendem Alter in schwindelerregende Höhe aufgeschwungen und sich
sogar zu einer Art Dauer-Arroganz entwickelt. Zusammen mit ihren immer noch
wackligen Deutschkenntnissen hatte dies dazu geführt, dass Prude sich am
liebsten nur mit sich selbst umgab.
    Einerseits bestand Lucia darauf, eine
wunderschöne Jugend in Hannover gehabt zu haben, andererseits hatte diese Zeit
offensichtlich ihre Härten gehabt. So musste Lucia schon mit fünf, sechs Jahren
ihre Eltern bei Amtsgängen begleiten und als Simultandolmetscherin fungieren, da
die beiden große Sprachprobleme hatten. Lucia konnte dem Ganzen trotzdem etwas
Positives abgewinnen: ihren Biss und ihr Organisationstalent.
    Prude sei früher eindeutig geselliger und
feinfühliger gewesen, behauptete sie. Offensichtlich hatte Prude zu viel
ertragen müssen, was sie nun wie ein Märtyrerschild vor sich her trug. Als ich
Lucia mal bat, ihre Mutter mit einem Wort zu beschreiben, zögerte sie

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