Papa ante Palma
Wir kaufen Teppiche und achten ein bisschen drauf, dass die Kinder nicht so viel Lärm machen.«
»Nichts da!«, rufe ich. »Kommt her, Kinder. Lasst uns ein bisschen Ball spielen, im Wohnzimmer. Sofort!«
Am nächsten Morgen fange ich an die Kartons auszuräumen, baue das Wasserbett auf und richte mein kleines Studio ein. Der Plan: Auftragskompositionen für Kunden aus Deutschland und Spanien zu übernehmen, außerdem Soundlogos, Jingles, Telefonschleifen und ganze Songs zu komponieren, wenn’s sein muss.
»Vielleicht kann ich ja ein paar alte Kontakte umleiten oder für Thomas arbeiten, sollte er komplett ausgelastet sein. Wenn es richtig gut läuft, könnte ich sogar abends mit einer professionellen Top-40-Band ein paar Euronen dazuverdienen«, hatte ich mir vorab ausgemalt.
Es war an einem Abend, kurz bevor Lucia endgültig in Palma zugesagt hatte, und wir saßen im Wohnzimmer bei einem Wein auf der Couch.
Natürlich würde ich die nächsten Monate nur den halben Tag dafür Zeit haben, schließlich betreute ich während der anderen Hälfte die Kinder. Wie lange das so sein würde, ließen Lucia und ich einfach offen.
»Vom kinderlosen Manager im Ruhrpott zum Musiker, Hausmann und Vater auf Mallorca in weniger als zwei Jahren«, sagte Lucia und sah mich an. »Bist du dir sicher, dass du das willst?« Sie sprach es zwar nicht aus, aber das Wort »Abstieg« schwang im Subtext mit, obwohl sie das selbst nie so sehen würde. Natürlich war es ihr wichtig, dass ich auch nach Mallorca wollte und nicht am Ende sie für alles verantwortlich machte, falls die Insel sich als Sackgasse herausstellen sollte.
»Zu Hause mit Kindern und Musik. Ich denke, es wird mir gefallen, zumindest bis wir uns dort eingelebt haben. Außerdem fällt mir auf die Schnelle nichts anderes ein. Wir haben ja nicht mal ausreichend Zeit, um uns von allen Freunden zu verabschieden. Wo soll ich da im Handumdrehen meinen persönlichen Masterplan herzaubern? Wenn ich jetzt ja sage, dann heißt das auch ja. Und damit basta. Und ich sage: Ja, wir gehen.« Ich war optimistisch.
Und ich versuchte es zu bleiben. Regale aufzubauen und dabei Jerry-Lewis-Grimassen zu schneiden, um zwei Kleinstkinder bei Laune zu halten, ist kein leichter Job. Aber wenn eines sicher ist, dann dass Kinder alles zum Vorschein bringen: brachliegende Talente, nie gekannte Charakterzüge, verschüttete Traumata und sogar längst vergessen geglaubte Gefühle. Plötzlich ist alles da, und irgendwie geht es tatsächlich.
Die vertrauten Gegenstände aus den Kisten nehmen der Wohnung gleich die Kühle und Fremde, und als Lucia am Abend von der Arbeit kommt, sieht es bei uns schon fast gemütlich aus.
Vier
Lucias Job ist besser als gedacht. Sie arbeitet
inzwischen seit drei Wochen in der Firma und fühlt sich sehr wohl dort.
»Nettes Team, geregelte Arbeitszeiten, gute
Bezahlung. Außerdem bin ich in drei Minuten zu Fuß am Hafen und kann in der
Mittagspause die Promenade entlangspazieren«, zieht sie am Frühstückstisch
Resümee.
»Schön«, sage ich.
»Denk dran, heute fängt der Hort an.«
Ich betrachte die Kinder, die das ganze Gesicht
voller Marmelade haben und glucksen. Sophies Laune hat sich durchaus etwas
gebessert, seit wir hier sind. Leider gilt das nur für die Stunden am Tage.
Nachts ist sie immer noch eine unzähmbare Furie. Ich bin gespannt, wie sich die
beiden im Hort machen werden.
Lucia hat die Kindertagesstätte El monito , das Äffchen, die ungünstigerweise am
anderen Ende der Stadt liegt, bereits vor meiner Ankunft ausgewählt. Da wir auf
ein Auto verzichten wollen, der Kinderwagen aber kaum in den Bus passt, bleibt
mir wohl nichts anderes übrig, als jeden Tag schiebend ganz Palma zu
durchqueren.
»Das wird schon«, sagt Lucia, »ich muss los, beso .« Sie drückt mir einen Kuss auf den Mund
und ist verschwunden.
Den ausgedruckten Stadtplan in der Hand und zwei
gestriegelte Kinder vor mir im Wagen, biege ich kurz von der Ringstraße in das
verwirrende Gassenlabyrinth der Altstadt ab. Über eine halbe Stunde brauche ich,
um mich hindurch zu kämpfen. Es sind bereits dreiunddreißig Grad im Schatten,
und das Hemd klebt mir am Körper. Endlich biege ich in die kleine Stichstraße
ein, die zur Kindertagesstätte führt.
El monito sieht von
vorne aus wie der einzige Punkschuppen in der gesamten Hinterpfalz: Fenster und
Türen sind vergittert, die Fassade wurde mit lila-weißer Farbe so gestaltet,
dass man von weitem einen Fantasy-Himmel zu erkennen
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