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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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Häusern nicht genutzt
zu werden, vermutlich gar nicht zugänglich zu sein. Nur ein platter Ball und ein
trostloses, auf dem Kopf liegendes Kanu bezeugen, dass irgendwann schon mal
jemand dort unten war. Wenn man im fünften Stock wohnt, ist man in Palma schon
so hoch, dass man von der Terrasse die Stadt über der Stadt betrachten kann.
    Ich liebe die Antennenwälder und windschiefen
Kabuffs, die überall auf den Dächern der Häuser stehen. Eine ganz eigene Welt,
die von der Straße nicht zu sehen ist. In Barcelona wohnen über den sündhaft
teuren Stadtwohnungen oft die Rosenverkäufer und Junkies in ihren Verschlägen.
Sie springen den Angehörigen der Oberschicht auf den Köpfen herum und schnappen
ihnen das Licht weg. In Palma ist es vielleicht ähnlich.
    Ich lege mich auf eine aufgeblasene Luftmatratze
in die Sonne. Der Autolärm drängt kaum herüber, dafür kreisen Lachmöwen über der
Stadt und kichern hexenartig aus der Ferne.
    Eine Stunde später wache ich verschwitzt auf und
taumele in die Wohnung. Vor meinen Augen tanzen bunte Punkte, die Morgensonne
hat mich geröstet. Das Ergebnis im Spiegel ist eindeutig. Ich schmiere mir etwas
kühlende Aftersuncreme ins Gesicht. Was ist das nur für ein Zeug in der Creme,
das sich meine Wangen bei fünfunddreißig Grad so anfühlen, als würde ich sie aus
dem offenen Fenster einer Gletscherbahn halten?
    Ich nutze die freie Zeit, um die letzten
Installationen fertigzustellen und der Wohnung einen persönlichen Touch zu
verleihen. Vor allem muss ich noch die Fenster zur Straße dämmen, denn die
ersten Nächte im neuen Heim waren nur mit Ohrstöpseln zu ertragen. Ich habe
gerade damit angefangen, da bimmelt mein Handy.
    »He, cariño , wie war
es im Hort?« Lucia ruft aus dem Büro an.
    »Ganz okay, die beiden haben zwar geweint, aber
die Erzieherinnen sind sehr nett. Sie heißen beide Maria und Josef … Leider
kann ich den verfluchten Wagen nicht dalassen.«
    »Hm, das ist blöd. Aber Hauptsache, die Mädchen
kommen mit den Betreuerinnen klar.«
    Ich blicke auf die Uhr und zucke unweigerlich
zusammen. »Ja, und wo wir schon mal dabei sind: Ich muss wieder los.«
    Die Sonne brennt jetzt richtig vom Himmel, was
sich auch in der Stadt bemerkbar macht. Die Straßen wirken deutlich aufgeräumter
als am Morgen. Diesmal halte ich mich ausschließlich an die große Ringstraße und
bin etwas schneller am Ziel.
    Wieder klingele ich bei El
monito .
    Maria und Josef 1 öffnet, auf dem Arm die völlig
entkräftete und zittrige Sophie. Durch die zweite Zwischentür erkenne ich im
Hintergrund Luna, die sich offenbar schon mit einem Kannibalenstamm verbündet,
ja es bereits zur Anführerin gebracht hat. Wie besessen rennt sie um die
Kinderwägen herum und schreit den Säuglingen » DICKEDICKEDICKEDICK !« oder » TJJERPIG - BUMBA - HOYAAAHHH !« entgegen. So laut, dass einem das Blut in den Adern
gefriert.
    Maria und Josef 1 drückt mir die wimmernde Sophie
in den Arm. »Das wird schon«, sagt sie nur.
    Um meine Tochter mache ich mir ehrlich gesagt
weniger Sorgen als um Maria und Josef 1, denn die arme Frau ahnt noch nicht,
welche Sturheit und damit verbundenen Kräfte in der kleinen Zwiebel wohnen. Ich
setze Sophie in den Wagen, Luna klettert bestens gelaunt auf ihren Platz, und
wir ziehen los.
    »Bis morgen«, ruft Maria und Josef 1, und es
schallt wie ein Donnerhall durch die kleine Gasse.
    Die Erzieherin soll recht behalten. Die Wochen
gehen ins Land, und es wird tatsächlich besser. Die Kinder gewöhnen sich an den
Hort und ihre neuen Betreuerinnen, Lucia gewöhnt sich an das verlangsamte
spanische Arbeitstempo sowie die Pfiffe aus den offenen Autofenstern, wenn sie
mit dem Rad vorbeidüst, und ich gewöhne mich an unser seltsames Zuhause.
    Als ich eines Nachmittags mit den Zwillingen nach
Hause komme, finde ich einen Zettel vor der Haustür. Pau!, denke ich sofort.
»Bitte die Ruhezeiten einhalten. Das geht doch nicht!«, steht darauf.
    Welche Ruhezeiten? Das klingt ja wie in einer
deutschen Rehaklinik im Schwarzwald. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass die
Spanier zu den lautesten aller Völker gehören und damit konsequenterweise eben
auch zu den lärmunempfindlichsten.
    »Wo sind wir hier bloß gelandet?«, frage ich die
Kinder.
    Sie blicken mich mit großen Augen an.
    Acht Wochen bin ich jetzt hier, und ich komme
nicht umhin festzustellen, dass Pau bei uns eingezogen ist. Dazu braucht er kein
eigenes Zimmer in unserer Wohnung. Es reicht, dass wir bei

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