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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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Kreuzung aus Antonio Banderas und Räuber
Hotzenplotz. Auf seiner blauen Latzhose steht in weißen Lettern »Telefono« . Er blickt mich unter seinen feuchten
Latinolocken aus Rehaugen an.
    »Si?« , frage ich und
lasse mir nicht anmerken, dass es von links unten nach abgelaufener Erbsensuppe
und von rechts unten nach totem Hund riecht.
    Der Mann sagt so etwas wie: »Zzaazzz AO !«
    Danach lässt er zufrieden die Hosenträger
schnalzen und geht wortlos an uns dreien vorbei in die Wohnung. Die Kinder sind
ausnahmsweise mal ruhig und gucken ihm verdutzt hinterher.
    Der Fremde sieht sich kurz im Wohnzimmer um,
dreht sich zu uns um und meint: »MmmmAO. ZzzAO?« Er
lässt erneut die Hosenträger schnalzen und sieht mich erwartungsvoll an.
    Das war offensichtlich eine Frage. »Wie bitte?
Ich verstehe nicht!«, bringe ich fahrig heraus, denn der Gestank der vollen
Windeln lenkt mich extrem ab.
    Vielleicht spricht der Typ Portugiesisch, oder er
spielt beim Sprechen mit der Zunge an einer der hinteren Kronen herum.
    »Äh, was suchen Sie denn genau?«, frage ich. »Das
Telefon vielleicht?«
    Nun sieht er mich zum ersten Mal leicht verstört
an und sagt etwas deutlicher, mit völlig verständnislosem Gesichtsausdruck: »Telefono y Internehhh!«
    »Internet?«, rufe ich freudig aus und mache ein
paar Schritte auf ihn zu. Vor Aufregung greife ich ihn an beiden Unterarmen und
schüttele sie leicht. »Wirklich? Sie haben jemanden geschickt, um Telefon und
Internet zu installieren?«
    Der Mann nickt, zieht die Arme weg und geht ein
Stück zurück.
    »Ich sterbe ohne Internet und habe schon seit
acht Tagen kein Internetcafé mehr aufgesucht, um meine Mails abzurufen«, erkläre
ich ihm hektisch.
    »Na und?«, sagt er.
    »Wie na und?« Gut, in den letzten Monaten haben
sich in meinem Posteingang fast ausschließlich wohlgemeinte Hinweise darauf
gefunden, dass ich nur einmal lebte und daher sicherlich poppen wolle wie ein
Weltmeister, wenn ich nach der angepriesenen Penisverlängerung aus meinem Dwarf erst mal einen Giant gemacht hätte. Aber das ist sicher nur eine Phase, die bald vorübergeht. Bald
wird es wieder lange, schön geschriebene E-Mails voller spannender Geschichten
hageln. Außerdem geht ihn das überhaupt nichts an.
    »Nichts übertrifft eine handgeschriebene Karte an
Schönheit, aaaooo! «, sagt er. »So und nicht anders
habe ich meine Frau für mich gewinnen können.«
    Ich nicke, während die Zwillinge weiter vor sich
hin stinken.
    »Allerdings ist das Internet ganz schön
gefährlich. Eine Illusion, die uns vordergründig die Angst nimmt, irgendwas auf
dem Planeten zu verpassen, tatsächlich aber schmerzhaft aufzeigt, wie klein
unser Handlungsradius in Wahrheit ist. Letztlich ist die Fülle an
nichtqualifizierten Informationen nichts weiter als eine Nicht-Information, da
wir für jede nützliche zehn unnütze erhalten, die es zu sieben gilt. Das alles
ist im Grunde so nötig wie ein Kropf. Früher hat es auch keiner vermisst, das
Internet.« Nach seinem Mini-Vortrag lässt er effektvoll die Hosenträger
schnalzen.
    »Ich«, stottere ich perplex, auf der Suche nach
Gegenargumenten, »ich … weiß nicht. Ich kann jederzeit sehen, wie das
Wetter in … in Simbabwe ist oder wie es um mein Bankkonto bestellt ist. Und
dann sind da auch noch die Online-Flohmärkte. Dort kann man schöne Schnäppchen
machen«, behaupte ich.
    Der Techniker mustert mich gelangweilt. Gerade
so, als wüsste er, dass ich erst vor kurzem in Köln zur Reparatur eines
Gitarrenkabels von Strotzkopf 007 einen halben Meter Schrumpfschlauch ersteigert
habe, den ich Tage später halb so teuer im Baumarkt gesehen habe.
    »Na ja, der beste Werbeträger für Ihren
Berufsstand sind Sie nicht gerade«, sage ich.
    »Könnten wir jetzt bitte fortfahren?« Der Spanier
atmet ungewöhnlich lange und vernehmbar laut aus.
    »Natürlich. Also, ich nehme an, Sie suchen
die …« Mein Redefluss wird unversehens von einer Vokabellücke gebremst.
Woher zum Geier soll ich wissen, was Buchse auf Spanisch heißt? Also forme ich
mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand so gut es geht ein Quadrat und fahre
mit dem gestreckten linken Zeigefinger hinein, als Kabelsimulation sozusagen. Es
dauert knapp zwei Millisekunden, bis in meinem Hirn ankommt, was ich da gerade
simuliere, und ich hoffe inständig, dass diese Geste in Spanien nicht als
eindeutige Aufforderung zum Kopulieren verstanden wird.
    Der Mann sieht mich einen Moment lang an, als
hätte ich nicht alle Tassen

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