Papa ante Palma
im Schrank. Dann nickt er, und wir machen uns daran,
die Wände nach besagter Buchse abzusuchen, während die Kinder noch immer wie
Bleigewichte an meinen Hosenbeinen kleben.
Hinter dem Sofa entdecke ich sie.
Mit einem Schraubenzieher aus seiner Latzhose
öffnet der Spanier den Plastikdeckel. »Zzzz AO « , sagt er, »das
Kabel fehlt.«
Was zum Himmel bedeutet das jetzt schon wieder?
Ich muss dreimal nachfragen, bis ich verstanden habe, dass es sich bei dem
Anschluss um eine Attrappe handelt. Man hat also eine Telefonbuchse in die Wand
gebaut, ohne ein Kabel zu verlegen.
Sei es drum. Wir suchen also die anderen Räume
ab, bis wir schließlich in meinem Studio hinter einem der Verstärker fündig
werden. Wieder nur eine Attrappe. Ich kann mir keinen Reim darauf machen,
immerhin haben hier vor uns bereits etliche Generationen von Mietern gewohnt.
Alle ohne Telefonanschluss? Offenbar gibt es an der Sachlage nichts zu deuteln.
Es führt kein Telefonkabel in diese Wohnung.
»Das war’s dann wohl«, sagt der Mann fröhlich.
»Kein Kabel, kein Telefon, kein Internet.«
Fassungslos starre ich ihn an. Ich würde jetzt
gerne gegen irgendwas treten, aber die Kinder hängen noch immer an meinen
Beinen. »Bitte, Sie müssen mir helfen«, flehe ich. »Mein halbes Leben spielt
sich im Netz ab.«
» Pues , dann sollten
Sie achtgeben, dass die andere Hälfte hier bei Ihren Kindern bleibt«, sagt er
und reibt sich über das Gesicht. » Vale – okay«,
brummt er schließlich. »Ich ziehe das Kabel über die Fassade und zapfe weiter
unten eine der bestehenden Leitungen an, die außen am Haus entlanglaufen.«
»Was? Sie wollen ein loses, etwa zwölf Meter
langes Kabel aus unserem Fenster im fünften Stock werfen, das dann über vier
Stockwerke an den Fenstern der Nachbarn vorbei quer über die Fassade baumelt, um
es unten an irgendein Kabel zu löten, das an der Hauswand entlangläuft? Habe ich
das richtig verstanden?«
Pling! Keine Antwort, nur die Hosenträger.
»Sind Sie verrückt?«, frage ich.
»Internet oder kein Internet?«
»Okay, dann los!«
»Damit wir das Kabel nicht aus dem Fenster hängen
müssen, bohre ich gleich hier neben der Buchse ein Loch, dann können wir es dort
hinausführen, zzzaaaooo .«
»Ein Loch durch die Außenwand bis nach draußen?
Die Wand ist über einen halben Meter dick!« Ich bin fassungslos.
Der Bohrer, den der Spanier nun aus dem Auto
heraufholt, hat etwa vier Zentimeter Durchmesser und eine Länge von circa
sechzig Zentimetern. In Deutschland braucht man für so etwas vermutlich einen
Waffenschein und allein fürs Anschalten eine Genehmigung der
Bauaufsichtsbehörde.
»Also, vielleicht sollte ich erst schnell unsere
Vermieterin anrufen und ihr sagen, dass wir im Begriff sind, ein neues
Fensterloch zur Straßenseite zu bohren.«
»Ach was, maaoo «,
sagt der Techniker und zieht sich eine Schutzbrille über die Augen.
Die Kinder rennen panisch aus dem Zimmer, als der
Hotzenplotz-Latin-Lover unter ohrenbetäubendem Lärm den Bohrer einschaltet. Das
alte Gemäuer hat ihm nichts entgegenzusetzen, und binnen Sekunden bricht er
durch die Wand. Mit der Spitze des Geräts schiebt er die restlichen Brocken aus
dem Loch, die auf der anderen Seite fünfzehn Meter tief zwischen irgendwelchen
Anzugträgern auf den Gehweg prasseln. Ungläubig beuge ich mich zu dem Loch
hinunter und spähe hindurch. Ich kann dem Nachbarn auf der anderen Straßenseite
in rund fünfunddreißig Metern Entfernung dabei zusehen, wie er seelenruhig auf
dem Balkon Blumen gießt.
Ȁh, ich muss mich mal kurz um die Kinder
kümmern«, sage ich.
»Moment noch«, ruft der Telefonmann. »Sie müssen
mich festhalten, maaaooo !«
»Okay, festhalten, ja. Wieso festhalten?«
» Zaoo , ich muss
draußen an der Wand eine Klammer befestigen, damit das Kabel nicht direkt vor
dem Fenster Ihres Nachbarn baumelt. Es läuft sozusagen erst mal durch die
Schelle nach rechts und fällt dann hinunter , caoo !«
Ehe ich es mich versehe, hat er das Fenster geöffnet, sich mit dem Oberkörper
hinausgelehnt und ruft leicht gequetscht: »Jetzt!«
Ich schnappe nach den Waden des Spaniers, der
nunmehr mit dem Oberkörper in schwindelerregender Höhe hängt, und halte ihn so
gut ich kann fest. Nach einer Weile verkrampfe ich leicht und ächze seinem
Hinterteil entgegen: »Hm, wie lange noch?«
In diesem Moment kommen die panisch schreienden
Kinder zurück und heften sich erneut an meine Waden. Der beißende Kotgestank
dringt sofort wieder
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