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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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Rheinländer. Manchmal zeigen sie mit dem Finger auf uns und sprechen so laut, dass ich es mühelos hören kann.
    »Ei, ei, ei, guck emol dooo!«
    »Inge, häässe jesonn? Zwo Schtück.«
    »Det is aber janz schön viel Abeit, weeste.«
    Von der Bar aus kann ich auch den »Snack to go«-Shop von schräg gegenüber sehen, in dem heute wieder Gema, eine ganz reizende Mallorquinerin mittleren Alters, hinter der Theke steht. Sie sagt über ihre Landsleute, dass sie misstrauisch und verschlossen seien, was ihrer Meinung nach mit den vielen Invasoren zu tun hat. Unter den Römern, Wandalen, Byzanztinern, Mauren, Wikingern, Katalanen und Pauschaltouristen habe die mallorquinische Identität gelitten. Daher stamme auch der derzeitige Trend von Wirtschaft und Politik, die Inselkultur so stark zu fördern, zumal das Katalanisch unter Franco verboten war und erst seit Anfang der achtziger Jahre wieder als Amtssprache anerkannt ist. Gema indes liebt diesen Mix der Kulturen, schlicht weil es sonst viel zu langweilig wäre.
    Wie immer, wenn sie Dienst hat, kommt sie auf die Straße gelaufen und versperrt uns den Weg. » Oh mis niñas más guapas, un beso , meine wunderhübschen Mädchen, bekomme ich heute keinen Kuss?«
    Die Zwillinge lassen sich nicht lange bitten und küssen die quietschende Gema eifrig ab. Gegen zwei Mini-Croissants, versteht sich. Während die Kinder vor sich hin mümmeln, tauschen wir uns über die neusten Scheiben von John Mayer oder Joe Bonamassa aus. Gema liebt Blues.
    »Genau wie mein Sohn«, ruft sie immer wieder aus, »er liebt den Blues. Er wohnt in einem kleinen Dorf, aber wenn er mal wieder in die Stadt kommt, müsst ihr euch kennenlernen.«
    »Si« , verspreche ich und schiebe den Wagen langsam weiter in Richtung der beliebten Einkaufsstraße Calle de San Miguel. Schließlich wartet Maria und Josef 1 schon auf uns.
    Die San Miguel bietet einem schon in den frühen Morgenstunden allerlei Sehenswertes. Frauen um die vierzig, die rauchend und wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen an uns vorbeihetzen und dabei die Füße so exakt voreinander setzen, dass man meint, sie würden – bei nur einem Schritt zur Seite – ins Bodenlose fallen. Dann sind da noch reiche Geschäftsleute, die aussehen wie eine unbekannte, leicht bösartige Fischart. Sie brüllen in ihre Handys, als wären es Megaphone. Viele der »Palms«, so nenne ich die männlichen Einwohner von Palma, in meinem Alter bevorzugen dagegen den guten, alten Sascha-Hehn-Look: flockiges kastanienbraunes Haar, Mittelscheitel, gelbes Lacoste-Shirt, weiße Bundfaltenhose und dazu diese Segelschuhe mit den durchgezogenen Lederbändchen an der Seite. Es scheint ihnen gutzugehen.
    An der Ampel spielen sich die Mallorquiner gerne an den Eiern herum, selbst wenn ihre Frauen danebenstehen. So viele schlechtsitzende Hosen kann es doch gar nicht geben. Und in puncto Reinlichkeit sind die Spanier eigentlich auch ziemlich weit vorne.
    Aber vielleicht geht es hier ja auch ums nackte Überleben der Palms, und es hat gar nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, wie auf dem Wiener Platz in Köln, wo der eine oder andere schon mal ein paar Gliederfüßer in der Hose von rechts nach links schiebt. Nein, vielleicht geht es den Männern hier vielmehr darum, die Pampe flüssig zu halten. Denn wer bei vierzig Grad im Schatten nicht regelmäßig mit seinem Glockenspiel bimmelt, der läuft Gefahr, dass ihm die Schlacke stockt und er mit einem sperrigen Baiser im Sack herumlaufen muss. In Deutschland gibt es allerdings auch genügend Männer, die sich in der U-Bahn gerne mal »am Riemen reißen« und einen dabei ansehen, als hätten sie gerade den Schlüssel zum Universum entdeckt.
    Zur Rechten passieren wir nun das mondäne Café Cappuccino, aus dem gerade ein paar Frauen unschätzbaren Jahrgangs herauskommen. Ihre Figuren sind echt toll, und die Haut ist gespannt wie ein Schlagzeugfell. Einzig ihr leicht O-beiniger, wackeliger Gang lässt darauf schließen, dass hier Etikettenschwindel betrieben wird.
    Vielleicht ist es auch das Meersalz in der Luft, das die Haut konserviert, aber beim zweiten Hinsehen spiegeln ihre Wangen die einfallende Sonne wider wie die Glasfassade eines Bankgebäudes in der Frankfurter Innenstadt. Ja, einige sind gar von derart pergamentartiger Qualität und Reinheit, dass ich ihnen am liebsten mit Sepiatinte eine Geschichte auf die Wange schreiben möchte.
    Wie oft wollte ich schon mit einem flotten »Hallo, wie geht’s?« auf den Lippen an

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