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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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in meine Atemwege. So stehen wir noch eine ganze Weile da,
in dieser eigenartigen Wadenpolonaise. Ich an den Waden des Latinos, die Kinder
an meinen.
    Irgendwann werden meine Hände leicht schwitzig,
und ich merke, wie mir die stark behaarten Waden des Mannes ein Stück nach vorne
wegrutschen. Nur seine massiven knöchelhohen Arbeitsstiefel bieten mir jetzt
noch den nötigen Halt, damit die Aktion nicht in einem Desaster endet. »Ich …
ich kann Sie nicht mehr lange halten«, rufe ich.
    Von der Straße aus sieht das Ganze vermutlich
nach einem Ehedrama aus, bei dem der eifersüchtige Gatte den Liebhaber aus dem
Fenster hängt.
    »Bin gleich fertig!«, ruft es vom Hintern her
zurück. Er hat die Klemme offensichtlich bereits angebracht und das Kabel so gut
wie hindurchgefädelt. » AAAOOO . Jetzt, ziehen
Sie mich hoch«, befiehlt er.
    Ich komme mir vor wie beim Hochseeangeln, auch
wenn ich diesen Sport nur aus dem Fernsehen kenne.
    » WAS IST DENN HIER LOS ?«, höre ich plötzlich eine Stimme hinter
mir.
    Vor Schreck lasse ich ein Bein los, und der
Techniker rutscht wieder ein Stück in Richtung Straße. Synchron fangen wir beide
an zu schreien, woraufhin ich nach dem freien Bein greife und mich gleichzeitig
umdrehe. Im Türrahmen steht Lucia, mehrere Einkaufstüten in der Hand. Die Kinder
eisen sich von mir los, um sich nahtlos an ihre Schenkel zu heften.
    »Schatz, ich habe dich gar nicht kommen hören«,
sage ich.
    »Was machst du da mit dem Mann?«, fragt sie.
    »Erklär ich dir später. Könntest du mir
vielleicht kurz helfen, bitte?«
    Mit vereinten Kräften ziehen wir den Telefonmann
in die Wohnung zurück.
    » Ya está , das war’s«,
sagt er verschwitzt. Er wolle jetzt nur noch schnell unten am Haus das Kabel
anzapfen, dann könnten wir in ein paar Minuten surfen und telefonieren. Ein
letztes, leises Schnappen der Hosenträger, ein kurzes Nicken in Lucias Richtung,
und der Spanier verlässt die Wohnung.
    »Der Mann installiert das Internet und die
Telefonleitung«, sage ich.
    Lucia und die Kinder sehen mich nur mit
tellergroßen Augen an.
    Fünf Minuten später fahre ich auf Verdacht den
Computer hoch. E-Mail-Programm öffnen und auf »Abrufen« klicken. Sofort poppt
eine Meldung auf. »Es konnte keine Verbindung zum Internet hergestellt werden«,
steht da.
    Doch dann verschwindet die Fehlernachricht, und
ein Strichbalken ist zu sehen, der sich langsam füllt. »Rufe 178 E-Mails ab« ist
nun zu lesen.
    »Ich glaub, ich spinne«, rufe ich. »Es geht!«
    Lucia antwortet nicht.
    Nach kurzer Durchsicht lösche ich
einhundertvierundsiebzig Mails und gehe ins Wohnzimmer, wo Lucia mit den Kindern
auf dem neuen Teppich sitzt und mit Bauklötzen spielt.
    »Tse, der Typ war vielleicht lustig. Er hatte
irgendwie was gegen das Internet. Meinte, er hätte seine Frau nur durch Briefe
erobert.«
    »Ist ja ein Ding«, sagt Lucia, ohne aufzublicken.
»Genau wie du.«
    »Ja, aber bei uns waren es E-Mails. Wie dem auch
sei, jetzt haben wir endlich wieder Internet. Gut, dass du den Termin mit der
Telefongesellschaft ausgemacht hast.«
    »Ich?«, sagt Lucia und blickt mich erstaunt an.
»Ich dachte, du hast da angerufen.«

Fünf
    Die große Anzeigetafel auf der Ringstraße zeigt schon vierunddreißig Grad, dabei ist es gerade mal neun Uhr morgens.
    Für meinen täglichen Gang zu El monito habe ich mittlerweile eine Lieblingsroute. Sie ist zwar etwas länger als der direkte Weg, aber die paar Meter extra lohnen sich. Bekomme ich doch dabei etliche Facetten der Stadt zu sehen.
    Ganz unbescheiden gesagt, bin ich als knapp eins neunzig großer Mann, der einen knallroten Hightech-Doppelsitzer schiebt, eine kleine Attraktion. Nicht zuletzt weil in dem Wagen zwei Mädchen sitzen, von denen die eine blonde Locken und die andere die Statur einer Mini-Siebenkämpferin hat. Jedenfalls fallen wir hier in Palma deutlich mehr auf als in Köln. Wenn wir von einer der Avenidas auf die Plaça d’España zurollen, vorbei an der Can Gaietà, dem leuchtenden Beispiel des modernismo , dem katalanischen Pendant zum Jugendstil, kann sich kaum jemand ein Lächeln verkneifen.
    Zuerst kommen die Touristen vor der berühmten Bar Cristal, die vor ihrem café con leche sitzen und die Seele baumeln lassen. Einige winken frisch und erholt, andere noch ein wenig deplatziert, als wären sie erst vor ein paar Minuten auf der Insel gelandet. Es sind fast ausschließlich Deutsche. Von allem etwas. Strubbelige Berliner, kerzengerade Schwaben und laute

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