Papa ante Palma
einer dieser schlanken Schönheiten mit lockigem Haar vorbeirollen und musste dann auf halber Höhe feststellen, dass da nur das Gesicht des alten Klaus Kinski auf den Körper von Gisele Bündchen geklatscht wurde. Ausatmen und schnell weiter, lautete dann die Devise.
Schönheit und Jugend sind hier auf Mallorca extrem wichtig. Viel wichtiger als in Deutschland. Überall an den Häuserwänden sieht man Typen mit David-Beckham-Frisuren und darunter eine Telefonnummer, die man anrufen soll, sofern man im Bikinimonat eine ähnliche Body-Line wünscht. Jede Frau, die etwas auf sich hält, geht wöchentlich zum Friseur und steckt jeden ersparten Euro in den perfekt modellierten Traumbusen.
Mir ist erst nach mehreren Wochen aufgefallen, dass es hier in der Innenstadt mehr Institutos estéticos gibt als Sand am Meer. Diese Schönheitsinstitute sind nicht etwa halb staatliche Einrichtungen, wo promovierte Wissenschaftler dermatologische Tests an Laborratten durchführen. Nein, das sind schlicht und einfach Beauty-Kokons, die aus hässlichen Raupen wunderschöne Falter machen sollen. Hier werden Rücken enthaart, halbe Gesichter hinter die Ohren getackert, hier wird Fett abgesaugt und Botox gespritzt. Seite an Seite mit den unzähligen Immobilienbüros teilen diese Institute die Ladenfronten der Shoppingmeilen unter sich auf. Es würde mich nicht wundern, wenn es hier und da einen Durchgang gäbe und der Inhaber, der gerade noch links Gesichter eingerenkt hat, nun rechts mit Hilfe von Photoshop Fassaden verschönert und Quadratmeterzahlen aufrundet. Ist ja irgendwie dasselbe.
Am Mercado del Olivar, der Markthalle von Palma, kommen mir zwei ungepimpte, naturbelassene Omas mit vollen Tüten entgegen. Sie vermögen ihre freudige Neugier genauso wenig zu zügeln wie ihre Pendants in Deutschland. »Qué son? Gemelas?« , fragen sie. »Sind das etwa Zwillinge?«
»Si« , rufe ich stolz und biege in eine der weniger belebten Gassen ab.
Ich gelange zur Plaza de San Antonio, einem Schnittpunkt zwischen den Einkaufstempeln, einem Neubaublock und dem kleinen Gitano -Viertel, in dem teilweise sogar Fenster und Türen fehlen. Während überall in dieser Stadt ein hektisches Gewusel herrscht, bewegt sich auf diesem Platz rein gar nichts. Prostituierte lehnen gähnend an Schaufenstern, und vor den Hauseingängen stehen fußlahme Greise und starren ins Leere. Als wir an ihnen vorbeirollen, formen sie plötzlich mit ihren spitzen Lippen ein stummes »O« oder werfen lachend den Kopf in den Nacken. Dabei kann ich den Tabak aus ihren Hälsen riechen.
Noch ein letztes Mal biege ich auf die Ringstraße, wo uns Kinder in dunkelblauen Schuluniformen entgegenkommen. Viele von ihnen sprechen mit südamerikanischem Akzent. Dann tauche ich in das Geflecht der schmalen Straßen jenseits der Avenidas ein und rolle in die Calle de Sant Antoni Ribas, zu El monito .
Kaum habe ich geklingelt, öffnet Maria und Josef 1 die Tür.
»Hooola!« , schmettert sie mir entgegen.
Luna springt sofort auf die Erzieherin zu, Sophie hingegen klammert sich an meinen Hals, als ich sie aus dem Wagen nehme, und weint.
Längst hat Maria und Josef 1 ihre Beschwichtigungen eingestellt, stattdessen nimmt sie Sophie wortlos entgegen. »Das Kind ist stur wie ein Esel, aber es ist schon viel besser geworden«, sagt sie und küsst Sophie liebevoll auf die Wange. Erst jetzt bemerke ich, dass die Stirn von Maria und Josef 1 aussieht wie eine beschlagene Badezimmerwand nach einer langen, heißen Dusche.
Nachdem sie verschwunden ist, mache ich mich pfeifend auf den Rückweg, auf dem ich eigenartigerweise ebenso großes Aufsehen errege. Vor allem von älteren Damen ernte ich zahlreiche mitleidige Blicke. Zunächst konnte ich mir keinen Reim darauf machen, aber vermutlich halten sie mich für einen traumatisierten Vater, der in einer Scheinwelt lebt und glaubt, dass seine Kinder noch immer im Wagen säßen.
Jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee, daher steuere ich die Bar Sangrera an, die zu meinen Lieblingsbars gehört. Obwohl sie direkt an einer der Avenidas liegt, ist so gut wie nie jemand hier. Das Mobiliar stammt original aus den fünfziger oder sechziger Jahren: überall Gilb, Patina und Löcher in den mit PVC bezogenen Stühlen mit Schaumstoffpolster. Eine Karte gibt es hier nicht, dafür steht neben dem Eingang ein handbeschriebenes Pappschild, auf das jedoch nicht mehr als fünf Getränke passen. Der Besitzer Angel, ein Mann um die sechzig, trägt stets eine
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