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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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gefunden. Unerhört sei das, wirklich unerhört, immerhin empfange er Kunden im Labor. Was sollten die denn denken? Die Puppe habe er daher gleich entsorgt. Das gibt Krieg, denke ich, für die Puppe, das Gejaule in der Wohnung und stellvertretend für jede weitere zu Unrecht verletzte Seele auf diesem Planeten.
    Mit einem kurzen »Bing« meldet sich der Aufzug im Erdgeschoss zurück. Eigentlich habe ich keine Lust auf eine laute oder gar handgreifliche Konfrontation im Treppenhaus, doch jetzt ist alles egal. Ein wirklich großer Feldherr muss seinen Gegner auf jedem Terrain schlagen können. Die Tür des Fahrstuhls öffnet sich.
    »Hören Sie … äh, hola «, sage ich.
    »Hola!« , brummt ein zwei Meter großer, bärtiger Mann im Outfit eines KFZ -Mechanikers und nestelt am Reißverschluss seiner Arbeitshose herum. Er klingt ein bisschen wie ein sehr großer Bär. Dahinter tritt Pau aus dem Aufzug, der alles anderes als angenehm überrascht wirkt, als er mich sieht.
    »Haben Sie die Nachricht gelesen, die ich Ihnen in den Briefkasten geworfen habe?«, fragt er.
    Wortlos hebe ich die Hand und wedele mit dem Zettel.
    »Gut, dann wissen Sie auch, dass es so nicht geht. Die Puppe, dieser ewige Lärm.«
    »Für jemand, der entgegen der von Ihnen verfassten Hausordnung in der Wohnung große Hunde oder andere jaulende Tiere hält, nehmen Sie den Mund gerade ein bisschen zu voll, oder? Schönen Tag noch«, sage ich und betrete den Aufzug.
    Ich bin kaum zurück in der Wohnung, da klingelt das Telefon. Deutschland. Meine Eltern.
    »Hallo-oo, wir wollten mal wieder hören, wie es euch so geht. Habt ihr euch inzwischen eingelebt?«, singt meine Mutter, eine waschechte Rheinländerin.
    Wider Erwarten waren sie und mein Vater sehr tapfer, als wir ihnen bei Kaffee und Kuchen unsere Auswanderpläne gesteckt haben. Dafür müssen wir jetzt natürlich regelmäßig telefonisch Bericht erstatten.
    »Och joo«, antworte ich. »Wir haben ’nen blöden Nachbarn erwischt, und Sophie schläft sehr unruhig, aber sonst läuft alles ganz gut.«
    »Ist das eigentlich weit weg von Paguera, wo ihr jetzt seid?«
    »Paguera? Keine Ahnung. Wieso?«
    »Na weil wir doch vor achtundzwanzig Jahren mit dir dort waren.«
    »Was, ich war schon mal auf Mallorca? Das ist ja ein Ding«, sage ich und versuche irgendein Bild zu dem Namen Paguera aus meinem inneren Archiv zu bergen. Vergeblich.
    Meine Mutter geht nicht weiter darauf ein. »Danke für die schönen Bilder, die ihr uns geschickt habt, wir haben sie uns hier auf dem Computer angesehen. Die Kinder sehen so fremd aus, irgendwie so … so spanisch.«
    »Mamaaa, die beiden sind Halbspanierinnen, schon vergessen? Vielleicht suggeriert das aber auch nur der Ort.«
    »Hmm. Jedenfalls wollte ich sagen, dass ich euch ein Paket geschickt habe. Etwas Geld, Kleider für die Kleinen und was zu naschen.«
    Ich hole tief Luft. »Mama! Das sollst du doch nicht. Wir sind hier nicht in Bangladesch. Wir können uns alles kaufen, keine vierzig Meter von hier ist ein Laden, es gibt sogar deutsche Supermärkte. Das Porto wird dich mehr gekostet haben als der Inhalt.«
    »Ach«, seufzt sie, »die Kleinen freuen sich doch immer so.«
    »Natürlich, danke. Ich melde mich dann … nächste Woche mal, oder so.«
    »Grüß Lucia ganz lieb. Ach, und wisst ihr schon, ob ihr Weihnachten kommt?«
    »Äh, es ist August, und wir haben noch nicht mal alle Kartons ausgepackt.«

Sechs
    »Kannst du diesmal bitte gehen?«, stöhnt Lucia. »Ich bin schon fünfmal aufgestanden.«
    Es ist mitten in der Nacht, und Sophie schreit wie am Spieß. Sie ist ein Schreikind. Seit ihrer Geburt vor sechzehn Monaten hat sie keine einzige Nacht durchgeschlafen. Wir auch nicht.
    »Ja, bin schon unterwegs«, sage ich und rolle mich über die Seite aus dem leicht glucksenden Wasserbett.
    Im Kinderzimmer steht Sophie im Schlafsack am Bettgitter und schreit panisch. Aus ihrem Gesicht ist alles gewichen, was Kinder süß aussehen lässt, und meine Tochter ist der Mörderpuppe Chucky deutlich näher als den gepuderten Babys aus der Penaten-Werbung. Luna schnarcht.
    Ich setze mich auf einen Stuhl, halte ihre Hand durch das Holzgitter und fange an zu singen. Das Geträller wird sie jedoch nur vorübergehend beruhigen. Ich verschaffe uns damit etwas Zeit, mehr nicht. Nach ungefähr vierzig Minuten schlage ich zum ersten Mal vor Müdigkeit mit dem Hinterkopf gegen die Wand. Meine Lider sind bleischwer. Das mantra-artige Wiederholen ein und desselben Satzes,

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