Papa ante Palma
Ich stelle mich hin.
2. Ich wickele mir ein
ausreichend großes Badetuch um die Hüften und verknote es.
3. Ich ziehe die Jeans unter
dem Tuch aus und hole sie hervor.
4. Ich will meine Badehose
gerade anziehen, als sich Sophie von hinten heulend an meinen Oberschenkel hängt
und mir das Tuch über den Hintern bis in die Kniekehlen zieht.
5. Ich stehe leicht
paralysiert nackt am Strand. Eigenartigerweise fühle ich mich für den Bruchteil
einer Sekunde extrem wohl, während der Seewind sanft meine Eier umspielt.
6. Die Andalusier lachen.
7. Ich bekomme durch eine
Kniebeuge mit beiden Händen den Saum des Badetuches zu fassen und reiße es
hoch.
8. Ich verknote es
erneut.
9. Ich sage Sophie, sie
möge weitere Aktionen dieser Art bitte unterlassen.
10. Ich ziehe die Badehose
unter dem Tuch an.
11. Ich knote das Badetuch
auf.
12. Ich bin strandfein.
Luna weint. Der Sand ist ihr zu heiß. Wie zur
Salzsäule erstarrt steht sie ein paar Meter vor dem Wasser und weißt nicht,
wohin sie sich wenden soll. Ich laufe zu ihr, woraufhin Sophie sofort einen
weiteren Schreianfall bekommt, weil ich mich von ihr entferne.
»Jaaaa doch«, rufe ich, laufe zu Sophie zurück
und nehme sie auf den Arm, um weiter zu Luna zu hasten.
Der Sand ist wirklich verdammt heiß. Meine
Schritte werden immer kürzer und schneller, und Sophie hoppelt auf meinem Arm
wie eine leblose Handpuppe. Im Laufen schnappe ich mir Luna und hebe sie auf den
anderen Arm. Zirkusreif.
Das Wasser tut gut. Strand und Wasser sind ein
einfaches komplementäres System. Ying und Yang. Mann und Frau. Ernie und Bert.
Das eine geht nicht ohne das andere. Selbst die Kinder scheinen das einzusehen,
denn sie werden plötzlich ruhig und spähen erstaunt aus ihrer sicheren
Sitzposition hinunter auf die Wasseroberfläche. Wir müssen von hinten in etwa
aussehen wie ein Elefant, an dem rechts und links zwei Safariteilnehmer in
Körben schaukeln. Ich wate weiter hinein, und bald geht mir das Wasser bis zur
Hüfte.
»So, chiquititas ,
jetzt werden wir uns ein bisschen abkühlen«, kündige ich an und gehe in die
Knie. Ganz langsam. Schon als Sophies Fußsohle die Wasseroberfläche berührt,
fängt sie an zu brüllen und zappeln.
»Willst du etwa schon wieder raus?«, frage
ich.
Meine Tochter nickt.
Beim dem Wort »raus« schüttelt Luna allerdings
sofort aufs Energischste den Kopf und fängt ebenfalls an zu weinen. Die
Zwillinge sind außer sich.
»Okay, lasst uns rausgehen, es hat keinen Sinn.
Dann eben nicht. Dann eben kein Badespaß«, sage ich.
Plötzlich biegt sich Luna so weit mit dem
Oberkörper nach hinten, dass ich sie ausbalancieren muss wie einen riesigen
Stapel Teller. Das kenne ich schon. Sie bockt und will vom Arm herunter.
»Nicht! Biiittttääähhh!«, rufe ich.
Ich kann Luna nicht länger halten, und sie kippt
wie ein Taucher von der Bootskante ins Meer. Und ist weg.
Mein Herzschlag beschleunigt sich. Zuerst will
ich Sophie irgendwo abstellen, um nach Luna zu greifen, doch dann beuge ich mich
vor und stochere nur mit einem Arm nach ihr. Dabei muss ich gut aufpassen, dass
ich Sophie nicht aus Versehen untertauche. Schließlich erwische ich Luna am
Unterarm und ziehe sie hoch. Sie hat die glasigen Augen weit aufgerissen und
macht ganz dicke Backen. Die Überraschung und der Schreck über den Zustand unter
Wasser – keine Luft, brennende Augen, der Körper federleicht – sind
ihr deutlich anzusehen: Vor lauter Erleichterung lache ich wie ein
Wahnsinniger.
Der Strand hat sich inzwischen gefüllt. Links
neben uns liegen zwei sehr gepflegte Rentner, rechts eine Familie mit
Kleinkindern. Die hinteren Reihen sind ebenfalls dichter besiedelt, vermutlich
mit Erasmus-Studenten und ein paar Jungendcliquen.
»Hui, das war ja was«, sage ich zu den Mädchen,
die immer noch schreien. Oder schon wieder? »Jetzt essen wir erst mal ein
bisschen Obst.«
Ich stelle die schreienden Zwillinge ab und hole
die Dose mit den vorgeschälten Früchten hervor.
»Pi«, sagt Luna plötzlich und stellt sich
breitbeinig auf mein Strandtuch.
»Nicht«, flehe ich, doch es ist zu spät. Die
ersten Tropfen fallen.
Reflexartig packe ich meine Tochter unter den
Armen und stelle sie neben das Tuch in den Sand. Luna heult auf wie ein Motor im
Leerlauf bei durchgetretenem Gaspedal. Oh, der Sand ist ja heiß. Hatte ich
vergessen. Schnell hebe ich sie wieder ein Stück hoch, und der Urin läuft an
ihren Beinen herunter über meine Füße in den Sand. Wieso muss ständig
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