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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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hebe den Kopf. Nicht zu
sehen.
    Da fällt mein Blick auf einen anderen deutschen
Vater, der mit seinen beiden Kindern ganz vorne am Meer sitzt und seelenruhig
eine Sandburg baut. Der Wind trägt einzelne Wörter zu uns herüber. Emil und
Lotte heißen die beiden. Eimer für Eimer schleppt Emil Sand an, während sein
Vater und Lotte das frische Material am Burgfried verbacken.
    Wie steht es um seine Liebe zu den Kindern? Das
mit der Liebe ist so eine Sache, denke ich, da kommt Lucia mit den Zwillingen
auf mich zu.
    »He, da seid ihr ja schon wieder.«
    »Luna hat es sich unterwegs anders überlegt«,
sagt Lucia ruhig.
    Man könnte Liebe im Idealfall als eine moralisch
integere, dem Egoismus entgegenstehende Grundhaltung auffassen. Sei es, um ein
Zusammenleben auf diesem Planeten zu ermöglichen, oder als einzig
zweckungebundener Sinn des Lebens.
    »Ich hab Obst mitgebracht. Willst du ein paar
Weintrauben?«, fragt Lucia.
    »Äh … nein, danke.«
    Wobei Begriffen wie Haltung gleich immer so etwas
Gewolltes, Rationales und Erlerntes anhaftet. Unsere romantische Vorstellung
dagegen sieht in der Liebe ein nicht bewusstes, unergründliches und bereits in
uns wohnendes Gefühl.
    Die gesamte Schöpfung lieben? Ist das nicht ein
bisschen viel verlangt? Sagen wir mal, es gibt verschiedene Schwerpunkte.
Während in einigen Religionen noch jedes fühlende Geschöpf bedacht wird, richtet
sich bei anderen die Liebe mehr auf den Schöpfer selbst und jene, die angeblich
am nächsten an ihm dran sind. Uns also. Allerdings gibt es zunehmend auch kaum
religiös geprägte Räume, in denen sich der Liebesradius allzu sehr verengt hat
und die Liebe gerade noch für einen selbst, den Partner, den Hund, ein, zwei
Freunde und ein paar Konsumgewohnheiten reicht. Etwa den Ikea-Einkauf bei
Nieselregen, Individualreisen, vorzugsweise nach Indien oder Südostasien, die
Rucola-Pizza beim Lieblingsitaliener, den Milchkaffee auf der Sonnenterrasse,
Apple-Produkte.
    Was ist mit mir? Was liebe ich? Kann ich
überhaupt alles Existente lieben?
    Okay, stopp. Das würde ja bedeuten, dass ich auch
Bettvorleger, kaputte Siphons und Flugzeugträger lieben müsste, da all diese
Dinge offensichtlich existieren.
    »Kannst du mir mal schnell den Rücken
eincremen?«, fragt meine Holde.
    Leicht abwesend verteile ich Sonnenlotion auf
Lucias leicht gebräunter Rückseite.
    Nun, die Glaubensstifter und Philosophen haben
das sicherlich so nicht gemeint. Trennen wir einmal die organische von der
anorganischen Materie, dann kommen wir der Sache schon näher. Obwohl – auch
nicht. Das hieße ja, dass ich auch verfaulte Bananen, das Ebola-Virus und all
das lieben müsste, was sich nach drei Wochen im Abfluss der Männerdusche im
örtlichen Hallenbad so angesammelt oder gebildet hat.
    Ich schüttele die Flasche mit der Sonnenlotion,
doch sie ist leer. Also krame ich zwischen Feuchttüchern, Windeln, einem
zerfledderten Krimi und einigen Dingen, von denen ich lieber nicht wissen
möchte, was sie einmal waren, eine neue Flasche aus dem Rucksack hervor.
    Einverstanden, nehmen wir aus dem Organischen
lieber doch erst mal nur die höheren Lebensformen heraus, die wir lieben. Tiere
zum Beispiel. Das bedeutet letztlich, ich habe gefälligst auch die Amöbe, den
molchartigen Schwanzlurch und das Schwein zu lieben. Geht auch nicht!
    Dann müssen wir wohl oder übel aus den höheren
Lebensformen eben allein den Homo sapiens isolieren. Aber selbst das bedeutet in
letzter Konsequenz, dass ich auch Roberto Blanco, Johannes B. Kerner oder
gar Birgit Prinz lieben muss. TUE ICH ABER NICHT !
    »Autsch!«, beschwert sich Lucia und blickt mich
mit gerunzelter Stirn über ihre Schulter hinweg an. »Geht das vielleicht auch
ein bisschen sanfter?«
    »Ach so, ’tschuldigung«, murmele ich, immer noch
leicht abwesend.
    Gut, okay, dann beschränken wir uns bei den
Menschen also nur auf die Kinder. Jene kleinen, unschuldigen Engel, die sich bar
jeder Missgunst und ohne Arg in unsere Hände begeben, um uns die Liebe in ihrer
reinsten Form erleben zu lassen. Und die im Gegenzug nichts weniger erwarten als
dieselbe bedingungslose Liebe – plus hin und wieder ein Eis, einen
Schokokuchen, ein Plastikmotorrad, einen Kaufmannsladen und einen Arm, der sie
von A nach B trägt. Wir müssen sie einfach lieben, die Kinder. Alle Kinder! In
ihnen kann sich unsere stille Sehnsucht nach dem Einssein, dem Verschmelzen mit
dem Kosmos jenseits aller Ängste erfüllen.
    »Auch unten am Rücken bitte. Und im

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